Käsen vor der Haustür
Die Scheuerleins fahren in Sachen Milchverarbeitung von Hof zu Hof.
Wenn die mobile Käserei der Familie Scheuerlein neu auf einen Hof kommt, müssen erst einmal gemeinsam die Gegebenheiten abgetastet werden. Welche Art von Milch wird hier gemolken? Wo ist ein geeigneter Stromanschluss? Braucht es Holzbretter zum Unterlegen? Denn der Wagen der mobilen Käserei muss gerade stehen. Sonst schwappt die Milch im Kessel über. Oder der Käse wird schief. Pünktlich zur Melkzeit fährt der angestellte Käser Tim Mohr üblicherweise mit dem Wagen vor. Gleich nach dem Melken hat die Milch etwa 20 Grad und kann direkt in den Thermisierer einlaufen, wo sie auf 65 Grad erhitzt und anschließend im Gegenstrom auf 30 Grad abgekühlt wird. „Das ist keine Pasteurisierung“, erklärt Christian Scheuerlein, der das Käsemobil vor einem Jahr in Betrieb gesetzt hat. „Mit dem schonenden Verfahren der Thermisierung gelingt es, die meisten Bakterien abzutöten und geschmacklich trotzdem möglichst nah am Rohkäse zu bleiben.“
Ungesehen gekauft
Käse von der eigenen Milch wurde im Biokreis-Betrieb von Judith und Christian Scheuerlein in Spalt-Hagsbronn (Landkreis Roth, Mittelfranken) schon seit einigen Jahren etwa 15 Mal im Jahr von einer Lohnkäserei hergestellt. Dort durfte auch Judith das Käsen lernen. Doch durch einen Inhaber-Wechsel fehlten dort Kapazitäten, und der Gedanke, zusätzlich zu Joghurt und Frischkäse auch gleich Käse für die eigene Direktvermarktung herzustellen, setzte sich bei den Scheuerleins fest. Aber wer sollte das Käsen übernehmen? Hier im Betrieb waren die Kapazitäten ziemlich ausgeschöpft. Doch als Judith in einer Gebrauchtwarenbörse auf eine mobile Käserei stieß und einem befreundeten Molkereifachmann ein Video schickte, in dem die Besitzerin das Käsen in dieser zeigte, kam von Tim Mohr prompt zurück: „Wenn Ihr sie kauft, komm ich zu Euch.“ Tim, der jahrelang im Drei-Schicht-Betrieb in der Lebensmittelindustrie tätig war, wollte sich gerade beruflich verändern. Ungesehen kauften die Scheuerleins die mobile Käserei aus der Nähe von Hamburg für 75.000 Euro. Doch bis darin gekäst werden konnte, dauerte es noch gut ein Jahr. Für 325.000 Euro wurde ein alter, nicht bio-tauglicher Stall aus dem Jahr 1956 in Reiferäume und eine kleine Produktionsstätte umgebaut. Und Tim musste erst mal Auffrischungskurse machen und üben, üben, üben…
Fünf Stunden wird gekäst
Inzwischen braucht er keine Hilfe mehr, wenn er morgens die Höfe anfährt und deren Milch in seinem Wagen zu Käse verarbeitet. Ein Käsekessel aus Edelstahl mit 1000 Litern Fassungsvermögen und einem Rührwerk, ein aufheizbares Wasserbad, eine Abfüll-Anlage, die das Bruchkorn in eine Wanne absaugt, sowie runde und eckige Formen stehen ihm hier zur Verfügung. Gibt es technische Schwierigkeiten, kann er leider keine Support-Hotline anrufen. Die mobile Käserei ist kein Produkt von der Stange, lediglich die Vorbesitzerin kann mit ihrer Erfahrung telefonisch helfen. Gute fünf Stunden verbringt Tim meist auf einem Hof, bis der Käse bereit ist zum Abtransport.
In Boxen wird er zum Betrieb Scheuerlein gebracht, wo er die erste Nacht in einem Warmraum verbringt und abends noch gewendet wird. Nach Salzbad und fünf Wochen bis drei Monate Reifung werden die Laibe nach Tilsiter-, Gouda- oder Bergkäse-Art entweder zurück auf die Höfe gebracht oder von den Direktvermarktenden abgeholt.
„Für uns alleine wäre die Investition in eine Käserei viel zu teuer gewesen“, erklärt Christian Scheuerlein die Entscheidung für die mobile Variante. Inzwischen werden regelmäßig 18 Betriebe angefahren, was mit dem derzeitigen Personal gut machbar ist. Zusätzlich zum Käser kümmert sich noch eine Teilzeitkraft um das Wenden und Schmieren der Laibe. Mobile Käserei und Reiferäume hätten Kapazitäten für bis zu 45 Betriebe. Allerdings wäre dann mehr Personal nötig. Der entfernteste Betrieb ist 180 Kilometer weit weg, „aber hier kommen wir schon an unsere Grenzen“, erzählt Christian. Denn unterwegs muss der Käse gewendet werden und darf nicht auskühlen, was im Winter bereits zu Qualitätseinbußen geführt hat.
Der Absatz steigt
Auch auf den anderen Betrieben, die teilweise konventionell wirtschaften, müsse man sich auf individuelle Herangehensweisen einstellen. So hänge die Art der Verarbeitung mit der jeweiligen Milch zusammen. Milch von Jersey-Kühen sei so fett, dass im Kessel die Fettaugen obenauf schwimmen, Silage-Milch verursache tendenziell öfter Spätblähungen, die Risse im Laib herbeiführen. Kundenwünsche versuche man nach Möglichkeit zu berücksichtigen, etwa besondere Gewürze für den Käse wie Bruschetta-Kräuter oder Wiesenblüten.
Die Direktvermarktung auf den Höfen läuft gut. Nach einer kurzen Delle zu Beginn des Ukraine-Kriegs habe sich der Absatz beim Käse erholt. Seit einem halben Jahr steige er sogar wieder. „Aber es braucht die Kundschaft dafür“, sagt Christian Scheuerlein. In einem nahen Hofladen verkaufe er doppelt so viel eigenen Käse wie in zwei Supermärkten zusammen, wo sein 29 Euro/Kilo-Käse neben dem 8 Euro/Kilo-Käse liege. Grundsätzlich gebe es derzeit die Tendenz von Milchviehbetrieben, sich mit eigenen Produkten ein zweites Standbein aufzubauen. „Die Erlöse für die Milch sind immer weniger kostendeckend. Auch für uns waren die vergangenen zwei Jahre als Milchbauern schwer.“ Gott sei Dank gebe es eine wachsende Gruppe von Menschen, die beim Einkauf Wert auf Bio und Regionalität legen.