Echte Käse-Milch
Andre Tholen produziert auf seinem Kollweider Hof selbstkreierte Jersey-Spezialitäten.
„Moderne“ Milchproduktion wird auf den Verpackungen gerne durch schwarz-bunte Deutsche Holsteins verbildlicht. Oder auch durch Fleckviehkühe. Gerade die Fleckviecher haben sich auch im Öko-Bereich einen starken Platz in den Ställen erobert. Aber irgendwie fehlt da etwas… Jersey-Kühe, die gibt es auch noch, spielen aber im Massengeschäft eigentlich keine Rolle. Um diese ganz besondere Kuh-Alternative soll es hier gehen.
Andre Tholen übernahm seinen Öko-Betrieb in Gangelt am Niederrhein (NRW) vor rund 15 Jahren von seinem Vater. Alles lief in geordneten Bahnen, allein die Zucht der rotbunten und schwarzbunten Deutschen Holsteins entwickelte sich – zu immer größeren, immer leistungsfähigeren Kühen. Das erforderte letztlich andere Ställe und die Akzeptanz, den Leistungskühen auch entsprechendes Leistungsfutter anzubieten.
Die Jerseys: Leichter, kleiner, sanftmütig, robust
Wenn ein Andre Tholen ins Grübeln kommt, ob das alles so seine Richtigkeit hat, dann kann seine Umgebung davon ausgehen: Es ändert sich etwas. Und ja, es änderte sich so einiges. Er holte Jersey-Kühe auf den Hof. Noch heute sind die Jerseys selten, damals waren sie echte Raritäten. Die Rinderrasse stammt von der britischen Kanalinsel Jersey, zählt in Großbritannien bis heute zu den seltenen Rassen, die genau darum „unter Beobachtung stehen“. Sanftmütig und robust sind sie und bieten gleichzeitig eine recht hohe Milchleistung, verglichen mit den anderen traditionellen Rassen. Die Kühe sind leichter und kleiner als die Klassiker in deutschen Ställen. Mit rund 400 Kilogramm und einer Widerristhöhe von rund 120 Zentimetern, mit ihrer braunen Färbung und dem schwarzen Flotzmaul fallen sie auf und stehen auch auf einer Tierschau mal neben den anderen milchproduzierenden Damen. Und was für die Landwirt:innen ganz entscheidend ist: Das kleinere pralle Euter lässt sich gut melken und liefert im Jahresschnitt rund 6.000 Liter.
Weniger Leistung – kein Problem für Andre Tholen, der heute gemeinsam mit seiner Frau Sonja den Hof als Familienbetrieb bewirtschaftet und auf dem mittlerweile die drei jungen Nachwuchsbäuerinnen Charlotte, Josefine und Leoni groß werden. Denn er wählte einen sanften Übergang: Über Jahre führte er eine Verdrängungskreuzung durch, die alten milchbetonten Holsteins wurden peu à peu zu den heutigen Jerseys. Denn eine komplette Bio-Jersey-Herde zu kaufen, war damals gar nicht möglich. So konnte sich der Betrieb „reinarbeiten“. Zudem fand er eine niederländische Molkerei, die sich einerseits über die gehaltvolle Jersey-Milch freute, andererseits ihren Lieferanten aber die Möglichkeit gab, die zu liefernde Menge selbst zu bestimmen.
Von mild bis würzig
Denn auf dem Hof entstand eine Käseküche. Weil gerade in der Aufbauphase nie wirklich klar war, ob die gesamte Milch der bis zu 100 Kühe verarbeitet werden kann, war eine solche Lieferbeziehung genau passend – die Überschüsse gingen eben in die nahegelegenen Niederlande. Die Jersey-Milch bietet sich einfach an, über die eigene Käseproduktion nachzudenken. Wer eine Jersey-Milch im Glas mit einer traditionellen Milch vergleicht, dem fällt sofort auf: Diese Milch ist gelblicher. Und wer sie trinkt, merkt bald: Sie ist irgendwie gehaltvoller. Einerseits liegt dies am höheren Fettgehalt, der über sechs Prozent liegt. Üblich sind vier bis 4,5 Prozent. Ebenso liegt der Eiweiß-Anteil bei 4,5 Prozent und damit einiges über dem Eiweiß der Holstein-Milch.
Zudem ist der Anteil von Beta-Karotin etwa doppelt so hoch, der Kalzium-Anteil etwa 30 Prozent höher… Da haben die Züchtenden auf der britischen Kanalinsel gute Arbeit geleistet. Andere Jersey-Züchter:innen ließen ihre Milch noch weiter untersuchen. Mit dem Ergebnis, dass es sich um sogenannte A2-Milch handelt. Die ist aufgrund einer besonderen Casein-Zusammensetzung besonders verträglich, auch für Milchallergiker – ähnlich wie Ziegenmilch, aber mit dem echten Kuhgeschmack.
Die Sache mit der A2-Milch war für Andre Tholen noch ziemlich uninteressant, als er mit der Käserei startete. Wichtiger war: Jersey-Milch ist einfach eine echte Käsemilch. Also fing er an, probierte aus und erfand so den ein oder anderen Käse, etwa Schnittkäsesorten wie den vier Monate in Rotwein gereiften Violet de Kollweidé, den würzig-milden Weißen Kollweider und den besonders milden Kollweider aus Jersey-Rohmilch, dazu den cremigen Brie, den er auch mit saisonalen Kräutermischungen veredelt. Grundsätzlich bemüht sich Andre, immer mal wieder Neues anzubieten. Der violette Käse kam im Vorjahr dazu, die Mini-Bries für die kleinen Haushalte waren in den Jahren zuvor eine Entwicklung, die sich eben an den Kundenwünschen orientierte.
Muttergebundene Kälberaufzucht
Da die Kundschaft immer auch Kritik übt an den Kälbern, die nicht mehr bei den Kühen saugen dürfen, ist dies das aktuelle Projekt: Der Kollweider Hof hat auf muttergebundene Kälberaufzucht umgestellt. „Klar, das ist mit Organisation verbunden“, gibt auch Andre Tholen zu. Nach einem Jahr Testzeit war jedoch klar, dass das System perfekt zum Betrieb passt. Da er seit bereits sieben Jahren nur einmal täglich melkt, können die Kälber in den ersten fünf Lebensmonaten ihre Mütter von morgens bis abends melken – eine Win-Win-Situation für Tier und Betrieb.
Jedes Jahr aufs Neue wird weitergedacht auf dem Kollweider Hof. Bislang verkaufte Andre Tholen seinen Käse über drei Wege: die Naturkostbranche, die rheinländischen Marktschwärmereien und auch den regionalen Einzelhandel. Allerdings sind das Käsethema und der Vertrieb arbeitsaufwändig. Zudem fällt es immer schwerer, gute Mitarbeiter:innen zu finden, die Absätze und Absatzmärkte verändern sich, die eigenen Töchter haben ebenso Ansprüche an den Vater.
Also weiß Andre Tholen: „Wir sind ständig in der Entwicklung, Rahmenbedingungen ändern sich – also werden wir uns auch immer ein wenig weiter entwickeln.“
Mehr Infos: www.kollweider-hof.de
Infos Jersey: schaetzeausoesterreich.at/