Wenn Biokreis-Betriebe Gemüse anbauen, dann müssen sie den Boden wieder gut mit Nährstoffen versorgen. Das klappt – durch den Einsatz von tierischem organischem Dünger, durch den Einsatz von Kompost, und durch den Anbau von Leguminosen. Leguminosen, das sind Pflanzen wie zum Beispiel Klee oder Erbsen, die über ihre Wurzeln Stickstoff für den Boden sammeln und den damit versorgen können. Der organische Dung der Tiere ist dazu eine wichtige Ergänzung. Die Tiere verwerten das nicht für den Gemüseanbau nutzbare Grünland und liefern einen besonders vielfältigen Dünger. Bei einer rein pflanzlichen Ernährung wäre dieser Dünger durch den Verzicht auf die Tierhaltung gar nicht vorhanden. Konsequenzen: Die natürliche Tier- und Pflanzenvielfalt auf dem Grünland wäre ebenso gefährdet wie der humose und klimasenkende – da Kohlenstoff speichernde – Grünlandboden. Und die Gemüseanbau-Fläche würde real verringert, da größere Flächenanteile mit Düngepflanzen wie eben den Leguminosen besetzt würden. Dabei ist der deutsche Selbstversorgungsgrad bei Gemüse heute schon nur bei 37 Prozent, der von Obst bei etwa 20 Prozent. Also: Tier und Pflanze gehören einfach zusammen.
Mehr Bio-Anbau in Deutschland
Die Fläche für den Bio-Gemüseanbau wächst. Langsam zwar, aber sie wächst. Waren es 2016 noch 12.400 Hektar, die nach Öko-Kriterien bewirtschaftet wurden, stieg die Fläche in 2024 immerhin auf 19.018 Hektar. Der größte Anteil entfiel auf die Wurzel- und Knollengemüsesorten (7.013 Hektar). Dazu passt auch, dass die Möhren die Öko-Gemüse-Hitliste anführen. Mit 4.297 Hektar folgte im vergangenen Jahr das Blatt- und Stängel-Gemüse. 2.861 Hektar entfallen auf das Fruchtgemüse (Tomaten, Kürbisse und Co – das Gros übernimmt dabei der Kürbis), dann folgen Kohl, Hülsenfrüchte und die Vielfalt der sonstigen Gemüse. Der Anteil der ökologisch bewirtschafteten Fläche an der gesamten Gemüseanbaufläche in Deutschland beträgt inzwischen 15,3 Prozent. Bio-Gemüse macht 12,7 Prozent der gesamten Gemüseernte aus.
Kennt Ihr das?
Stielmus (oder Rübstiel) ist eines der frühesten Gemüse, es kann schon im zeitigen Frühjahr ab etwa Mitte April geerntet werden. Dann, wenn die Vitamine vom Acker und aus dem Obstanbau knapp werden, lohnt sich der Griff zum Traditionsgemüse. Es ist ein echter Vitamin C-Bringer, der in den klassischen Gemüsetheken der Discounter und Supermärkte kaum mehr zu finden ist. Aber unsere Bio-Solawis und –Gärtnereien bauen das Gemüse an. Die empfohlene Vitamin C-Tagesdosis steckt übrigens in 77 g Stielmus (Rübstiel). Diese Menge wird für gesunde Erwachsene und Senioren sowie für Teenager empfohlen. Geringere Vitamin-C-Tagesdosen gelten für Kinder. Stillende Mütter benötigen dagegen etwas mehr Vitamin C. Und klar, auch bei anderen Vitaminen ist das Stielmus weit vorn dabei. Und wer sich nicht an die alten, realistischen Seemanns-Geschichten erinnert: Skorbut als Vitaminmangel-Erkrankung plagte die Seeleute, Zähne fielen aus, die Menschen wurden schlapp und krank. Ohne Vitamin C geht eben nichts (ohne die anderen Vitamine auch nicht …). Also: Ran ans Gemüse – es ist auch leicht zuzubereiten. Zum Beispiel so:
Rübstil mit Kartoffelstampf
Dazu werden die Kartoffeln geschält und zerkleinert, dann als Salzkartoffeln gekocht. Das Stielmus wird in drei Zentimeter lange Stücke geschnitten. Wenn die Kartoffeln fast durchgegart sind, kommt das geschnittene Stielmus oben in den Topf und wird wenige Minuten mitgekocht. Butter dazu, mit dem Stampfer alles durcharbeiten und je nach Belieben mit Salz und Pfeffer abschmecken. Dazu passen Spiegeleier und gebratener Bauchspeck, der ebenfalls noch Würze fürs Gericht mitbringt. Und wer noch Frühlingszwiebeln hat: Die dürfen gerne mit in die Pfanne zum Bauchspeck.
Samenfest ist sicherer!
Es lebe der Unterschied: Hybrid-Sorten sind die Gemüsesorten, die – auf Leistung gezüchtet – angeboten und in vielen Fällen genutzt werden. Diese Sorten werden gerne angebaut, da die Ergebnisse am besten den Erwartungen der Kundschaft entsprechen: viel Gemüse für vergleichsweise wenig Geld. Der Nachteil: Selbst wenn die Landwirt:innen die Samen solcher Sorten sammeln, können sie damit nur wenig anfangen. Denn die Hybrid-Züchtungen sind so speziell, dass aus dem Samen eben nicht wieder eine entsprechend ertragbringende Pflanze wächst.
Traditionelle Sorten dagegen stehen für Vielfalt – und sie sind samenfest. Eine Reihe von verschiedenen Sorten der verschiedensten Pflanzen gibt es, alte Tomatensorten, Paprikasorten etc. Wer von diesen Pflanzen die Samen sammelt und diese wieder in den Boden steckt, und keimen lässt – der kann das gleiche Pflanzenwunder wieder wachsen sehen. Ein schöner, ein natürlicher Kreislauf. Für die landwirtschaftlichen Betriebe ist dies aber gar nicht so einfach – geschützte Sorten dürfen nicht einfach nachgezogen werden. Es kann sein, dass Nachbaugebühren anfallen. Trotzdem setzen viele kleinere Biokreis-Gemüseanbaubetriebe auf Traditionsgemüse – für die Geschmacksvielfalt. Und weil es die Landwirtschaft unabhängiger macht.
Peter Schmidt ist Ökolandwirt und Vorstand des Biokreis ErzeugerringNRW und Niedersachsen e.V.