“Sich Hilfe zu holen ist kein Zeichen von Schwäche oder Faulheit”

Von Ronja Zöls-Biber | Gepostet am 31.01.2024

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Christa Schlögel hat das Konzept ihres Betriebs darauf ausgelegt, ihn alleine zu leiten.

Wenn Christa Schlögel (57) ab und an alles zu viel wird, nimmt sie ihren Hund und macht einen langen Spaziergang. Sie kehrt irgendwo ein, und wenn sie dann wieder zu Hause ankommt, geht es ihr besser. Zu Hause – das ist der Seeleitenhof in Sindelsdorf im oberbayerischen Landkreis Weilheim-Schongau. Als ihr Vater 1992 schwer erkrankte, übernahm sie als älteste von vier Schwestern den elterlichen extensiv bewirtschafteten Betrieb gemeinsam mit ihrem damaligen Mann und stellte auf Bio um. Doch die Arbeit auf dem Hof ging schon viel früher los… „Ich war elf Jahre alt, als 1977 mein Opa starb – und es war selbstverständlich, dass ich seine Aufgaben übernehme“, erinnert sich Christa Schlögel. Kreiseln und Aufschwadern lernte sie damals, nach und nach kamen immer mehr Arbeiten hinzu. Dass sie einmal Hofnachfolgerin sein würde, war unausgesprochen, aber vorgesehen.

68 Hektar bewirtschaftet sie heute. Ackerbau, Landschaftspflege und Wald gehören zum Betrieb, genauso wie Jungviehaufzucht und die Vermietung von Ferienwohnungen. Doch erst seit 2012 ist der Hof so strukturiert wie er aktuell geführt wird. Denn damals kam es zur Scheidung – wie bei mehr als einem Drittel der Ehen in Deutschland. „Es ist natürlich schön, wenn man einen tollen Mann hat, mit dem es passt. Aber verlassen sollten sich Frauen angesichts der hohen Scheidungsraten bei der eigenen Versorgung nicht darauf“, sagt Christa Schlögel. „Wenn ich selbst nicht für mich sorgen kann, bin ich völlig abhängig.“ Das passierte ihr zum Glück nicht.

Weg von Milchvieh, Hühnern und Biogas

Sie machte das Beste aus der Situation und krempelte ihren Betrieb komplett um. „Natürlich hatte ich Respekt davor, den Hof alleine zu bewirtschaften. Das war eine große Sache“, sagt sie. „Kurz überlegte ich damals auch wegzugehen.“ Doch ihre Entscheidung zu bleiben, hat sie nicht bereut. „Unsere Hof-Chronik geht bis ins späte Mittelalter zurück. Es hätte nicht gepasst, den Hof aufzugeben.“ Sie holte sich Hilfe von einem Coach, wählte ein Betriebskonzept, das für sie als Mutter von drei Kindern machbar sein würde:
weg von der Milchvieh- und Hühnerhaltung und weg von der Biogas-Anlage. „Wichtig war für mich: Im Normalfall einmal am Tag in den Stall gehen – und nach dem Duschen fängt mein anderes Leben an.“

Die Vermietung von Ferienwohnungen sowie Jungviehaufzucht gehören ebenso zum Betrieb wie Ackerbau, Landschaftspflege und Wald. Bild: Schlögel

Um es als alleinige Betriebsleiterin zu schaffen, musste sie sich von einer langjährigen Familien-Ideologie distanzieren: nämlich davon, immer alles selbst zu machen. So gesteht sie sich etwa zu, höchstens zur Erholung ins Holz zu gehen und die Waldarbeiten statt dessen zu vergeben. Schon früh hat sie sich Reinigungskräfte für die Ferienwohnungen gesucht und auf Mietwäsche umgestellt. Die Rechnung geht bei solchen Maßnahmen oft gut auf. Denn würde sie selbst reinigen, müsste sie die Wohnung einen Tag leer stehen lassen. Auch als die Kinder noch klein waren, holte sie sich Menschen zur Unterstützung ins Haus. Regierungspraktikant:innen aus Paraguay oder Rumänien lebten mit ihrer Familie. „Das muss man natürlich auch mögen. Aber diese Menschen brachten uns die Welt auf den Hof. Es war eine schöne Zeit“, schwärmt Christa Schlögel. Auch die Kinder haben immer mitgeholfen.

Auf die eigene Gesundheit achten

Sich Hilfe zu holen, sei kein Zeichen von Schwäche oder Faulheit. „Meine Mutter vermied es weitgehend, zur Stallzeit mit den Enkelkindern spazieren zu gehen. Da hätten ja die Leute sagen können: Die tut nix“, erzählt Christa Schlögel. Der Gradmesser einer guten Landwirtin sollte heute nicht mehr sein, alles selbst zu machen. Wichtiger sei es, auf die eigene Gesundheit zu achten. Entscheidungen müsse sie wohl oder übel alleine treffen. Nur bei wichtigen zukunftsweisenden Fragen berät sie sich mit ihrem Sohn, der nebenberuflich bei ihr angestellt und für die Hofnachfolge vorgesehen ist.

Für sie sei die alleinige Betriebsleitung immer eine Art Übergangslösung gewesen, bis eins der drei Kinder im besten Fall den eigenen Weg in die Landwirtschaft finden und den Hof übernehmen würde. Trotzdem: „Die Lösung passt für mich. Mit allen Höhen und Tiefen. Ich habe viele Leute kennen gelernt, mich neuen Themen wie dem Bio-Dinkelanbau gewidmet. Es war anstrengend, aber auch interessant und aufregend. Ich bin froh, dass ich geblieben bin. Andernfalls hätte es mich eingeholt.“

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Ronja Zöls-Biber

Redaktionsleitung BioNachrichten / Mitarbeiterin beim Biokreis e.V.