“Einer ist der Chef”

Von Ronja Zöls-Biber | Gepostet am 31.01.2024

Like and share

Auf WhatsApp teilenAuf LinkedIn teilenAuf Twitter teilen

Die meisten Frauen in der Landwirtschaft sind keine Betriebsleiterinnen. Auch Biokreis-Bäuerin Steffi Bichlmair nicht. Die 47-jährige gelernte Bürokauffrau und Mutter von vier Kindern aus Lenggries im
oberbayerischen Landkreis Bad Tölz-Wolfratshausen hat in einen klassischen Milchviehbetrieb samt Alm, Streuobstwiesen und Hofladen eingeheiratet. Sie ist auf dem Herrnbauernhof Bäuerin mit Leib und Seele – aber nicht auf dem Papier. Ein sehr offenes, persönliches Gespräch über Besitz, Sichtbarkeit und Herzensangelegenheiten…

Liebe Steffi, ich hab´ Dich nicht bei uns im Mitgliederverwaltungssystem gefunden. Woran liegt´s?
Tja, das sind eben diese schriftlichen Geschichten, der Papierkram. Da bin ich nicht dabei, und das ist mir auch ganz recht. Durch Rechte entstehen ja auch Pflichten. Mein Mann Jakob hat den Hof von seiner Mama übernommen. Einer ist der Chef, egal ob das eine Frau oder ein Mann ist. Jakob lässt es nicht raushängen, dass ihm alles gehört. Aber sicher – im Fall einer Scheidung würde ich nur was vom Zugewinn bekommen.

Hat Dir das schon mal Angst gemacht?
Nein, weil es Gott sei Dank kein Thema bei uns ist. Nach einem Streit passt es auch wieder. Ich bin nicht der Typ, der noch mal ein neues Leben anfangen will. Und ich glaube, mit Angst lädt man sich auch schlechte Dinge ins Leben ein.

Wie ist es mit dem Thema Altersvorsorge?
So weit denke ich nicht. Ich fühle mich rundum versorgt und spüre keine Angst in mir. Ich hab´ nie zu viel in die Zukunft geschaut und bin damit immer gut gefahren. Ich arbeite gerne, verdiene Geld, lege ein bisschen was auf die Seite.

Wie sind Deine Mitbestimmungsmöglichkeiten auf dem Betrieb?
Wenn ich eine Idee habe, besprechen wir sie mehrmals. Mein Mann muss sie am Ende schon absegnen. Aber er nimmt mit seinen Plänen auch auf mich Rücksicht, denn schließlich setzen wir Neues dann ja zusammen um.

Wo hast Du Dich bei Entscheidungen besonders stark eingebracht?
Die Umstellung auf Bio habe ich auf der Basis dessen, was mein Mann geschaffen hat, in Gang gebracht. Und auch die muttergebundene Aufzucht ist auf meinem Mist gewachsen. Das Leben ist für mich eine Herzenssache. Und dass die kleinsten Kälber drei Tage nach der Mutter geschrien haben, hätte mir auf Dauer das Herz gebrochen. Das haben wir dann gemeinsam abgeschafft und fahren so sehr gut damit!

Es braucht mehrere Frauen am Hof, vor allem wenn die Kinder klein sind, und auch zum Austausch. Eine Frau allein ist völlig verloren.

Ist Deine Arbeit auf dem Hof sichtbar?
Die Arbeit im Haushalt ist brutal unsichtbar. Wenn pieps-einfache Hausregeln, wie die Schuhe vor der Haustür auszuziehen, von den Kindern immer noch nicht eingehalten werden, merke ich die fehlende Anerkennung für die Sauberkeit im Haus und komme da kurz an meine gute-Laune-Grenzen. Im Hofladen, im Stall, bei den Tieren sind mein Mann und ich ungefähr gleich sichtbar. Allerdings gibt es auch hier eine Ausnahme. Ich habe eine aufwändige Fortbildung für Kräuterkunde absolviert und verkaufe im Laden selbst hergestelltes Kräutersalz und Ähnliches. Auf jedem Etikett steht „Jakob Bichlmair“. Da kommt dann auch die steuerliche Seite zum Tragen. Mein Name am Produkt würde eine eigene Firma bedeuten, ein eigener Abschluss. Aber merkwürdigerweise stört es mich nicht. Es fällt mir auf, ist mir aber nicht wichtig.

Wie könnten Bäuerinnen sichtbarer werden?
Bäuerinnen sind meiner Meinung nach genau wie Bauern zu wenig sichtbar. Sie jammern oft nur daheim am Küchentisch. In Eurer Zeitung sehe ich, was für interessante Menschen es im Biokreis gibt. Ansonsten bekomme ich selbst kaum mit, was andere Landwirte und Landwirtinnen machen. Die Kommunikation
mit der Bevölkerung wäre aber ein eigener Auftrag, zu dem auch mir die Zeit fehlt. Bäuerinnen sollten nach außen gehen, weg vom Hof – zu Versammlungen, landwirtschaftlichen Fortbildungen oder anderen beruflichen Veranstaltungen. Dann kommen nämlich irgendwann immer mehr Frauen nach, weil sie sich denken: Ah, da treffe ich ja wieder diese lieben Frauen, die sich trauen…

Gibt es Arbeiten, wo Du Dich nicht kompetent fühlst?
Arbeiter für ein Bauprojekt organisieren, mit Maschinen hantieren, die grobe Waldarbeit – da schau ich gern zu und bewundere, was da geleistet wird. Man meint ja, dass Männer so was von Haus aus können müssten. Wir sind bei „Männerarbeiten“ und „Frauenarbeiten“ sehr altmodisch strukturiert. Obwohl – ich bin gar nicht so gern Hausfrau. Nur bei schlechtem Wetter. Am liebsten würde ich mehr draußen arbeiten. Aber mir fehlt hier auch die Übung, weil immer so viel anderes zu tun ist. Meistens muss alles schnell gehen. Auch während dem Kochen springe ich oft hin und her zwischen Telefon, Türglocke, Mist im Stall wegkratzen, Trächtigkeitsnachschau im Winter…

Was würdest Du Dir also anders wünschen?
Es braucht mehrere Frauen am Hof, vor allem wenn die Kinder klein sind, und auch zum Austausch. Eine Frau allein ist völlig verloren. Früher war es ja auch anders, da gab es oft noch eine Magd. Es wäre am schönsten, wenn man eine Freundin hätte, die regelmäßig kommt und hilft und mit der man auch reden
kann. Ich habe glücklicherweise ein paar nette Frauen, die auf mich und meine Arbeiten schauen.

“Nach getaner Tat, hockend an meim KräuterRat(d), find ih Antwort auf die Fragen, die auftauchn an manchen Lebenstagen. Ja, mia soin + derfn uns am Gutn laben. Kräuter sammln, Kränze bindn, zu unsam Innan findn.” Mundart-Dichtung von Steffi Bichlmair. Bild: Bichlmair


Müssten auch die Männer etwas verändern?
Ich hab´ Glück. Mein Mann hilft mit, geht auch mal einkaufen, holt die Kinder ab. Aber ich sehe in meinem Umfeld, dass viele Männer, wenn Kinder kommen, einfach so weiter machen wie vorher. Dabei stehen dann so viele Veränderungen an.

Wird auf Eurem Hof auch in der nächsten Generation ein Mann der Chef sein?
Wir haben drei Buben und ein Mädchen. Wer die Landwirtschaft machen mag, darf sie machen. Mit unserer Marianne haben wir uns jetzt die Landwirtschaftsschule angeschaut –, die voller Buben war. Marianne liebt Tiere und wäre eine gute Bäuerin. Sie kommt auf jeden Fall als Hofnachfolgerin in Frage.
Die Tradition, dass die Buben den Hof bekommen, bestand über viele, viele Generationen. In allen Gelenken der Bauern sitzt sie tief.

Als wir im Team das Heft über die Frauen besprochen haben, wurde Dein Name schnell ins Spiel gebracht. Unsere Beraterin Katharina hat gesagt: In so ein Heft muss die Steffi Bichlmair! Was macht Dich zu einer starken Frau und Landwirtin?
Ich bin sehr neugierig, mag überall zuschauen, wissen und lernen. Und ich bin positiv. Ich beginne meinen Tag am liebsten, indem ich mich an die allerhöchste Kraft nach oben wende. Die letzten Tage hatte ich Kopfweh, wollte nix tun, brauchte einfach eine Pause. Also habe ich mir für heute Motivation gewünscht. Ich bin keine Kirchgängerin, aber gläubig. Dass ich mir Hilfe von oben hole, gibt mir Kraft. Da kann nicht mehr so viel schief gehen. Und wenn es nötig ist, wein ich auch mal. Ich glaube, bei den Frauen funktioniert die Reinigung über die Tränen, bei den Männern übers Schwitzen, bei der Arbeit.

Weinst Du oft?
Nein, so oft auch nicht. Aber ich schwitz´ auch gern! (lacht)

Profilbild

Ronja Zöls-Biber

Redaktionsleitung BioNachrichten / Mitarbeiterin beim Biokreis e.V.