Pragmatisch, kompetent – und abgehärtet
Verena Becker ist Betriebsleiterin, Biokreis-Beraterin und Geschäftsführerin des Erzeugerring NRW und Niedersachsen.
„Was? Wir haben nur zwei Beraterinnen im ganzen Team?“ Diese Tatsache ist Verena Becker (39), die auch Geschäftsführerin des Biokreis Erzeugerring NRW und Niedersachsen ist, bisher nie aufgefallen. Die vielen Frauen in den Büros zählt sie schließlich auch zu ihren Kolleginnen. Ob Mann oder Frau – das spielt für die Agrarwissenschaftlerin eine sehr geringe Rolle. „Ich bin da pragmatisch und lösungsorientiert. Wer fachlich und menschlich brauchbar ist, ist im Team willkommen. Daher bin ich zufrieden und wünsche mir auch nicht explizit mehr Frauen für die Beratung.“ Nach zwei Jahren als Agrarreferentin der hessischen
Landjugend war sie fünf Jahre lang in der Lehre an der Universität Gießen tätig – hier umgeben von Kolleginnen. „Die Männer gingen nach dem Studium tatsächlich eher in die Praxis, an der Uni gab es dagegen mehr Frauen“, erklärt sie.
Aufgewachsen ist Verena Becker im hessischen Achenbach an der Grenze zu Nordrhein-Westfalen, wo sie auch heute noch mit ihrem Partner lebt. Mit ihm zusammen hat sie den elterlichen Betrieb übernommen. Dass sie beide gemeinsam auch offiziell den 30 Hektar großen Betrieb mit Grünland, Mutterkühen, drei Pferden und Hühnern im Nebenerwerb leiten, war einfach klar. Bewirtschaftet werden auch Flächen ihres Partners, der zwei Orte weiter aufgewachsen ist. Verenas Bruder war nicht interessiert an der Landwirtschaft und ging lieber in die IT-Branche.
Auf den mehr als 100 Betrieben, die sie im Biokreis betreut, findet sie dagegen nur wenige Betriebsleiterinnen. Grundsätzlich hat sie mehr mit den Männern zu tun. Oft sagen die Frauen gleich am Telefon: „Sie wollen bestimmt meinen Mann sprechen!“ Und das will Verena meist tatsächlich, denn fachliche Anfragen kommen überwiegend von den Landwirten. „Geht es um Umstellung auf Ökolandbau, sind oft beide Partner in die Beratung involviert. Bei Fachfragen wie etwa zum Stallbau sind dagegen häufig die Männer meine ersten Ansprechpartner.“ Frauen fangen ihrer Beobachtung nach viel im Hintergrund auf, damit der Betrieb überhaupt laufen kann. Warum sie am Betrieb nicht auch auf dem Papier beteiligt sind, weiß Verena Becker nicht: „So was fragt man ja auch nicht.“
Verena “Der Wildschadenschätzer”
Als Beraterin fühlte sie sich von den Männern immer ernst genommen. „Ich kann fachlich Auskunft geben, und das wurde auch nie hinterfragt.“ Etwas anders ging es ihr jedoch als Vorsitzende der Jagdgenossenschaft. Als die aktive Jägerin vor einigen Jahren dieses Ehrenamt übernahm, musste
sie einige Umstrukturierungen vornehmen. „Da hieß es dann: Seit eine Frau da ist, ist alles anders. Ich habe darauf immer erwidert: Es ist nicht anders, sondern es wird nur korrekt gemacht“, erinnert sich Verena, die sich selbst als recht abgehärtet im Umgang mit Männern sieht. Schon als Kind war sie viel
mit der Oma im Wald und mit Verwandten auf der Jagd. Stolz hält sie das Geweih ihres ersten geschossenen Bocks hoch.
Inzwischen ist sie auch „Wildschadenschätzer“, wie sie in ihrer ländlichen und klein strukturierten Heimat bezeichnet wird. Weibliche Berufsbezeichnungen sind hier nicht gerade verbreitet. Der Schätzer hat recht: So hört sie es oft. „Es stört mich nicht, ich sag es ja selbst aus Gewohnheit oft so.“ Ein für sie lustiges Erlebnis war, als sie bei einem Schätztermin für den Wildschaden vom Landwirt für die Protokollschreiberin gehalten wurde. Man müsse jetzt nur noch auf den Schätzer warten, meinte dieser, worauf Verena antwortete: „Nein, der Schätzer ist schon da.“
Auch als Beraterin beim Biokreis fühlt sich Verena an der richtigen Stelle. Sie ist kein Büromensch, will was von der Realität und von der Praxis in den Ställen mitbekommen. „Mein Job ist sehr abwechslungsreich.
Schließlich ist jeder Betrieb anders“, sagt sie zufrieden.
Leitung Presse- und Öffentlichkeitsarbeit / Redaktionsleitung BioNachrichten