Sprechen wir über Gemeinwohl!

Warum und wie über das eigene Engagement kommuniziert werden sollte.
Gutes Handeln allein reicht nicht aus, es muss auch sichtbar gemacht werden, damit es seine volle Wirkung entfalten kann und zur Nachahmung anregt. Diese Erkenntnis prägte die Entwicklung der Presse- und Öffentlichkeitsarbeit und findet besonders in den Bereichen ihren Ausdruck, in denen soziale und ökologische Verantwortung eine Rolle spielen. Unternehmen agierten lange Zeit zurückhaltend und überließen es den Medien, über ihre positiven Taten zu berichten. Doch mit der wachsenden Bedeutung der Sozialen Medien hat sich die Verantwortung für die eigene Kommunikation verändert. Jeder Betrieb kann jetzt das eigene Engagement für das Gemeinwohl kreativ und transparent kommunizieren.
Die Unsichtbarkeit des Gemeinwohls
Sauberes Wasser, gesunde Böden und der Schutz der Biodiversität haben einen hohen, aber oft unsichtbaren gesellschaftlichen Wert. Obwohl Verbraucher:innen den ökologischen Landbau grundsätzlich sehr positiv wahrnehmen, mangelt es häufig an Wissen über die konkreten Vorteile gegenüber der konventionellen Landwirtschaft.
Mit dem Erfolg des ökologischen Landbaus hat sich das Marketing des konventionellen Handels sichtbar an den Schlagwörtern der Bio-Branche bedient und durch jahrelange pro-aktive Kommunikation konventionelle Produkte mit „Regionalität“ und „geprüfte Qualität“ beworben, um so das Vertrauen und die Wertschätzung für die Produkte zu stärken.
Das erschwert es der ökologischen Landwirtschaft, ihre Mehrwerte überzeugend und vertrauensbildend einer größeren Verbraucherschaft zu vermitteln. Artgerechte Tierhaltung, naturbelassene Lebensmittel, regionale Herkunft, gesundes Essen ohne Pflanzenschutzmittelrückstände sind für viele Menschen Gründe, Bio-Produkte zu kaufen. Wenn aber im Winter Bio-Tomaten aus Spanien neben konventionellem, saisonalem Kohl aus der Region stehen, ist Verunsicherung nachvollziehbar. Grundsätzlich ist eine verständliche und emotionale Kommunikation empfehlenswert, die die konkreten Unterschiede zwischen Bio und Konventionell erklärt und die Vorteile der ökologischen Landwirtschaft für das Gemeinwohl deutlich macht.
Erwähnenswert ist in diesem Zusammenhang die Bio-Informationsoffensive des Bundesministeriums für Ernährung und Landwirtschaft (BMEL). Eingesetzt wird diese als Maßnahme der Nationalen Strategie für 30 Prozent ökologische Land- und Lebensmittelwirtschaft bis 2030 mit dem Ziel, die Kenntnisse der Bevölkerung zu den bestehenden Mehrwerten der EU-Bio- Qualität aufzubauen und eine inhaltliche Auseinandersetzung zu fördern. Deshalb lohnt sich ein Blick auf die Website www.biona- logo.de.
Praktische Tipps und Werkzeuge
Doch wie kann ein Bio-Betrieb selbst Gemeinwohl klar kommunizieren und für die Öffentlichkeit sichtbar machen? Der Regionalwert-Leistungsrechner der Regionalwert-AG ist dafür eine ideale Basis. Er berechnet anhand von rund 500 Kriterien, wie viel die Arbeit eines Betriebs für die Gesellschaft und die Umwelt wert ist. Zusätzlich zeigt das Tool, wie nachhaltig der Betrieb arbeitet – von „stark nachhaltig“ (grün) bis „nicht nachhaltig“ (rot). Es eignet sich für viele Bereiche der Landwirtschaft, zum Beispiel Ackerbau, Gemüsebau, Weinbau oder Tierhaltung.
Die Regionalwert-Leistungsrechnung zeigt den Bio-Landwirt:innen klar und verständlich auf, welche ökologischen, sozialen und wirtschaftlichen Leistungen sie bereits erbringen, und regt auch dazu an, an den richtigen Stellen mehr oder weniger zu investieren. Das Tool zeigt, dass Nachhaltigkeit ein wertvoller Beitrag ist – nicht nur eine zusätzliche Belastung. Und dieser sichtbare, messbare und wertvolle Beitrag kann dann auch klar kommuniziert werden.

Nachhaltigkeitsberechnung herunterladen.

Gemeinwohl lebt vom Mitmachen
Die Bio-Anbauverbände, Landesverbände und regionale Initiativen bieten Mitgliedern die Möglichkeit, an Messen wie der Biofach und öffentlichkeitswirksamen Aktionen teilzunehmen, um ihre Sichtbarkeit zu erhöhen. Auch ein Blick auf die Websites der verschiedenen Akteur:innen der ökologischen Landwirtschaft liefert wertvolle Tipps und Ideen für eine gezielte Kommunikation. Die Arbeit in den sozialen Netzwerken erfordert neues Wissen und Zeit. Ersteres lässt sich entweder durch „Learning by Doing“ mit Unterstützung von Freunden und Familie oder durch Kurse erwerben. Das Informationsportal oekolandbau.de bietet hier zum Beispiel Seminare und Einführungskurse an. Darüber hinaus gibt es jede Menge Tipps und Informationen sowie eine öffentlich nutzbare Bilddatenbank für den Einstieg.

Daten zu erfassen ist eine gute Grundlage. Aktive Mitgliedschaften und die Teilnahme an Ausschreibungen sind ein weiterer Baustein zum Erfolg. Die eigene Geschichte und das eigene Unternehmen der gemeinwohlorientierten Landwirtschaft oder Erzeugung in den sozialen Netzwerken authentisch und nahbar zu kommunizieren, ist für viele anfangs eine Hürde. Dabei fällt es so leicht, der Familie und den Freunden Fotos und Videos über einen Messenger zu senden. Aber Zeit ist ein rares Gut und wer hat davon schon genug? Es dauert, bis eine Online-Community aufgebaut ist. Dranbleiben ist dabei sehr wichtig, gerade weil der große Erfolg auf sich warten lässt.
Wer in der heutigen Zeit „Gutes tut“, muss seine Inhalte so gestalten, dass sie sowohl Menschen als auch Algorithmen gefallen und Aufmerksamkeit erzeugen. Das bedeutet, man muss verstehen lernen, wie die sozialen Medien Inhalte verbreiten und welche Themen Menschen ansprechen. Eine klare, einfache Sprache und Authentizität in den Geschichten über die Arbeit auf dem Bio-Hof sind dabei entscheidend. Der Fokus auf konkrete Themen wie Tierwohl, Artenvielfalt, die Herausforderungen im eigenen Betrieb, Erfolge und auch Rückschläge sowie die kleinen Glücksmomente – das sind Themen, die bewegen.
Vorsicht: Keine Selbstdarstellung!
Wer mit Aktionen auf Missstände hinweist, Gutes sichtbar macht und andere inspiriert, kann viral eine enorme Reichweit erzielen. Allerdings besteht auch die Gefahr, zu viel Selbstdarstellung zu betreiben. Deshalb ist es wichtig, das Ziel, die eigene Leistung für das Gemeinwohl sichtbar zu machen, im Auge zu behalten. Ein gutes Zeitmanagement kann dabei helfen, sich im Internet nicht zu verlieren. Einmal im Monat ein Newsletter, zweimal im Monat ein Blog-Beitrag auf der Website, jede Woche ein Beitrag an einem festen Tag in den sozialen Medien. Mit den entsprechenden Tools und etwas Übung lässt sich das in den Alltag integrieren. Die Balance zwischen ehrlichem Engagement und effektiver Selbstvermarktung sollte dabei immer stimmen.
Trotz all der Bedeutung der Eigenwerbung in den sozialen Netzwerken sind persönliche Kontakte unersetzlich. Der klassische Hofbesuch, ein Tag der offenen Tür, das Fest zu Erntedank sind gute Gelegenheiten, um den eigenen Bio-Betrieb vorzustellen, Gemeinwohl direkt vor der Haustür zu leben und zu kommunizieren. Eine gute Mischung aus Online und Analog macht den Unterschied – genau damit gelingt es, Gemeinwohl ehrlich und nachhaltig zu kommunizieren.
Quelle: Auszüge aus dem FIBLOnline- Seminar „(Gesellschaftliche) Leistungen von ökologisch wirtschaftenden Betrieben sichtbar machen“