Personalkosten

Ein heikles Thema: Spricht man die Wahrheit aus, wird man schnell beschimpft, als jemand, der anderen keinen ordentlichen Lohn gönnt. Aber es muss mal gesagt werden, mit der Bitte an alle Lesenden: Nicht aufhören, weiterlesen! Denn wahr ist: Mit steigendem Mindestlohn geht es personalintensiven Anbaukulturen – und den Betrieben dahinter – an den Kragen. Die Personalkosten sind einfach zu hoch.
Wie erkläre ich es meinem Kinde – oder warum die Geldwünsche nicht in den Himmel wachsen
So, und jetzt weiterlesen. So fing es an – wir erinnern uns, hoffentlich. Vor zehn Jahren im Jahr 2015 lag der gesetzliche Mindestlohn bei 8,50 Euro. Er hatte sich angepasst an die Tarifverdienste und lag ein gutes Stück darunter. Stimmt: Mit 8,50 Euro wird keiner reich, wird es je nach Wohnort sogar knapp im Leben. 2022 stieg der Mindestlohn erstmals auf über 10 Euro pro Stunde, aktuell liegt er bei 12,82 Euro und im Januar 2027 wird er 14,60 Euro betragen. Da der Arbeitgeber immer noch rund ein Drittel für Sozialleistungen und ähnliches draufzahlen muss, ist er also von 11,30 Euro pro Stunde (2015) ge-
stiegen auf 16,67 Euro aktuell und in 2027 werden es dann 18,98 Euro sein. Das ist also bis heute für die Arbeitgeber:innen ein Anstieg von starken 47 Prozent brutto, 2027 wird das dann ein Anstieg von knapp 68 Prozent brutto sein, verglichen mit 2015. So sprunghaft steigen aktuell weder die – zwar gestiegenen – Verbraucherpreise, noch hält das Wachstum der Tarifverdienste da mit. Das hat das Institut für Arbeit und Qualifikation der Universität Duisburg/Essen wunderbar ausgerechnet.
Was gehört noch zum gesamten Themenkomplex?
Die Mindestlöhne in anderen europäischen Staaten: Die liegen zwischen 2,85 Euro in Bulgarien, unter fünf Euro gibt es in Ländern wie Kroatien, Tschechien, Slowakei, Portugal, Griechenland, Rumänien …, unter 10 Euro unter anderem in Slowenien, Spanien, Polen, Zypern, Litauen und Malta. Selbst Frankreich begnügt sich aktuell mit 11,65 Euro. Da sind richtig viele Staaten dabei, die gerne agrarische (Bio)Produkte nach Deutschland verkaufen. Und Staaten, aus denen saisonale Mitarbeitende gerne nach Deutschland kommen, um auf den Feldern zu helfen. Der gute Zuverdienst nährt die Familie daheim.
Was aber passiert gerade?
Da geht mir der Satz einer Biokreis-Bäuerin nicht aus dem Kopf, die zuletzt sagte, dass es mit dem Beerenanbau bei ihr bald beendet sein könnte. Die Leute zahlen einfach nicht entsprechend mehr fürs Schälchen Himbeeren – was der wesentlich schwächer steigende Verbraucherpreis-Index belegt.
Der Bauernverband hat kürzlich heftig Prügel in der öffentlichen Meinung bezogen, als er zumindest für Saison-Arbeitskräfte ein Aussetzen des Mindestlohns ansprach. Im Internet heißt es dann als Reaktion auf solche Vorschläge ganz deutlich: „Die Sklavenarbeit ist abgeschafft.“ Stimmt – gilt aber auch für die Bauern, deren Einkommen ebenfalls nicht steigt.
Die Sache mit dem Mindestlohn aber hat noch mehrere weitere Haken:
- Weil er „Mindestlohn“ heißt und keiner nur das „Mindeste“ verdienen will, steigen die finanziellen Ansprüche darüber hinaus – schon erlebt: Hilfe beim Ausmisten durch eine ungelernte, landwirtschaftsferne Person: Unter 20 Euro mache sie es nicht …
- Weil der Mindestlohn einen gewissen Abstand zu den Tariflöhnen braucht, müssen auch die stärker steigen – was das Schälchen Himbeeren noch unbezahlbarer macht.
Das alles würde nur funktionieren, wenn auch die Preise für die Verbraucherschaft entsprechend steigen würden – tun sie aber nicht. Außerdem müssten ja sonst die Mindestlöhne …
Im Ergebnis wird dies bedeuten: Personalintensive Anbaukulturen sind kaum mehr finanzierbar. Ob der Roboter all dies übernehmen kann, das soll hier nicht prognostiziert werden. Auf jeden Fall wird das Angebot an leckeren heimischen Produkten weniger. Damit sinkt auch die Ernährungssouveränität im Land. Es gibt dann einfach keinen Spargel mehr … Schon heute hören wir ja gerne, die Preise für „unsere“ Bio-Lebensmittel seien hoch. Doch seien wir mal ehrlich: Alle Angestellten haben Tarifsteigerungen erhalten, selbst die Mindestlöhner:innen könnten sich eigentlich gute Bio-Produkte leisten. Wenn bei steigendem Verdienst trotzdem zu wenige Menschen (Bio)produkte kaufen, um so den Markt zu stärken, der uns und unsere Mitarbeitenden ernährt, dann kollabiert das System.
Ein Nachsatz noch zu den Saisonarbeitern: Verglichen mit den Löhnen in der Heimat verdienen sie in Deutschland schon ab 12 Euro pro Stunde richtig gut und können ihre Familie daheim unterstützen. Doch dank des – steigenden – Mindestlohns drohen die Jobs in Deutschland wegzufallen und beispielsweise nach Polen abzuwandern – dort liegt der Mindestlohn bei nur 6,10 Euro. Was wäre damit erreicht? Weniger in Deutschland hochwertig erzeugte und kontrollierte Nahrungsmittel, weniger Arbeitsplätze und geringere Einkommen für die ehemals hier Beschäftigten. Und wer sagt, das geschehe nicht – es ist in der Landwirtschaft schon längst im Gange …
Der Autor Peter Schmidt ist Ökolandwirt und Vorstand des Biokreis Erzeugerring NRW und Niedersachsen e.V.