„Kirchen-Studie“ mit Sprengstoff – und ein Plädoyer fürs Gemeinwohl

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Eine Studie der Deutschen Bischofskonferenz erhitzte Ende des Jahres die Gemüter. Zu Recht?

So und so ähnlich lauteten im Herbst des Vorjahres die Schlagzeilen in etlichen Tages-, Wochen- und Fachzeitungen. Der Stein des Anstoßes: eine Studie der Sachverständigengruppe „Weltwirtschaft und Sozialethik“ (Bd. 23) mit dem Titel „Ernährungssicherheit, Klimaschutz und Biodiversität: Ethische Perspektiven für die globale Landnutzung. Eine interdisziplinäre Studie im Rahmen des Dialogprojektes zum weltkirchlichen Beitrag der katholischen Kirche für eine sozial-ökologische Transformation im Lichte von Laudato si‘.“
Laudato si`
Die Basis also: Laudato si‘. Eine Enzyklika mit diesem Titel veröffentlichte Papst Franziskus im Mai 2015, in der es im Wesentlichen um „die Sorge für das gemeinsame Haus“ geht. Laut dieser soll der Mensch Gottes Land nicht nur bebauen, sondern auch behüten. In seinem Text verurteilt der Papst massiv das Artensterben, das Streben nach Wachstum, welches die Endlichkeit der Ressourcen der Erde ignoriert, sowie eine Politik, die bei jedem Regierungswechsel die Bemühungen im Hinblick auf Umwelt- und Klimaschutz ändere und damit Zeit und Kosten verschwende. Er ruft auf zu einer ökologischen Umkehr und kritisiert, dass unter dem Vorwand von Realismus und Pragmatismus die Umweltsorgen bespöttelt würden. Enzyklika beanspruchen ein großes Maß an Verbindlichkeit. Auch wenn sie keine unfehlbaren Lehrentscheidungen des Papstes darstellen, gelten sie in der katholischen Kirche als Ausdruck der obersten kirchlichen Lehrgewalt. Auf Basis dieser wurde also eine Perspektive auf die globale Landnutzung entwickelt. Ein Grund für Enttäuschung, Wut und sogar Kirchenaustritte?
Was sagt die Studie?
Die Sachverständigengruppe formuliert Leitlinien für eine globale Landnutzungswende, deren Kern die Perspektive der Gemeinwohlorientierung darstellt. Grundlage hierfür ist die gemeinsame Bestimmung der Erdengüter für alle Menschen. Staatliche Regulierungs- und Förderpolitik sollte sich am weiteren Blickwinkel der Gemeinwohleffizienz orientieren und dabei gleichzeitig dafür sorgen, dass diese auch für die einzelnen Betriebe lohnend ist. Dabei wird immer wieder betont, dass Landwirt:innen gesellschaftliche Anerkennung und Unterstützung und konkret eine angemessene finanzielle Honorierung für die Bewahrung wertvollen Naturkapitals verdienen. Besonders für Staats- und Kirchenland soll die Gemeinwohlperspektive beispielgebend eine wichtige Rolle spielen. Überdies sprechen sich die Autor:innen aus für eine Pro-Kopf-Öko-Prämie für die Verbraucherschaft, für eine Transformationsprämie für Produzent:innen und Unternehmer:innen sowie internationalen Ausgleich. Es sei wichtig, das Leitbild einer gemeinwohlorientierten Anerkennungskultur zu fördern. Der Kirche selbst falle dabei die Rolle der Anwältin des Gemeinwohls zu. Kirchenland müsse nach Kriterien des Gemeinwohls verpachtet und bewirtschaftet werden. Die Kirche spricht sich gegen Direktzahlungen im Rahmen der GAP aus, für eine gleichmäßigere Verteilung der Ressourcen zwischen Männern und Frauen, eine höhere Anerkennung des wirtschaftlichen und kulturellen Beitrags von Bäuerinnen sowie eine maximale Verbesserung für die Artenvielfalt durch eine Kombination aus kleinteiliger und ökologischer Landwirtschaft. Über den gesamten Text hinweg wird dabei ökologische Bewirtschaftung mit gemeinwohlorientierter Landwirtschaft gleichgesetzt.
Mein Land? Unser Land?
Heikler Punkt dabei: Das Spannungsfeld zwischen Gemeinwohl-Ansprüchen und den Eigentumsrechten an landwirtschaftlichen Nutzflächen. Zitiert wird hierzu Thomas von Aquin, der sich für eine Vereinbarung des Eigentumsgebrauchs mit dem Grundsatz der universalen Bestimmung der Erdengüter aussprach. Weiter heißt es: „(…) ein verkürzter Freiheitsbegriff erschöpft sich darin, einzelne vor einem Verbot von unverhältnismäßigem Pestizideinsatz zu bewahren oder das unternehmerische Recht auf immer intensivere Massentierhaltung zu verteidigen, während sich ein zeitgemäßer Freiheitsbegriff stärker
an den Rechten aller orientiert, sauberes Grundwasser, intakte Ökosysteme und lebenswerte Landschaften zu genießen.“
Bezüglich der Renaturierung von Auen und Mooren müsse aufgrund der gesamtgesellschaftlichen Bedeutung im Einzelfall auch das Freiwilligkeitsprinzip der teilnehmenden
Landbesitzer:innen in Frage gestellt werden. Bei der Gestaltung einer zukünftigen Landnutzungswende hätten alle gesellschaftlichen Gruppen nicht nur ein Mitspracherecht, sondern auch eine Mitwirkungspflicht. Möglichst viele Beteiligte sollten frühzeitig und gezielt eingebunden werden. Es gelte auch, darüber nachzudenken, wie bisherige „Nicht-Landbesitzer“ Teil von Kooperations- und Verantwortungsnetzwerken werden können.
Schießt die Kirche mit diesen Forderungen übers Ziel hinaus? Darf sie sich in landwirtschaftliche Fragestellungen in dieser Weise einmischen? Brüskiert sie die Landwirt:innen?
Und:
Was sagen gläubige Biokreis-Mitglieder zum Thema?

Quellen: Kommission Weltkirche der Deutschen Bischofskonferenz (Hrsg.): Studien der Sachverständigengruppe „Weltwirtschaft und Sozialethik“ Bd. 23: Ernährungssicherheit, Klimaschutz und Biodiversität: Ethische Perspektiven für die globale Landnutzung. Eine interdisziplinäre Studie im Rahmen des Dialogprojektes zum weltkirchlichen Beitrag der katholischen Kirche für eine sozial-ökologische Transformation im Lichte von Laudato si‘ www.kirche-und-leben.de; Enzyklika Laudato Si´