Die Solawi Hofkollektiv eG

Vielfalt – als Genuss und Schädlingsabwehr.
Hier wächst auch das, was es im Supermarkt nicht gibt, was vielleicht schon fast vergessen ist. Neuseeländer Spinat, Roter Grünkohl, und Flower-Sprouts – eine Mischung aus Grünkohl und Rosenkohl. Wer eben auch mal etwas Besonderes genießen will, wird gerne Ernteteiler:in zum Beispiel bei Solawi Hofkollektiv hier in Wipperfürth, im Bergischen Land, östlich von Köln.
Was bedeutet Solawi?
Solawi, das steht für Solidarische Landwirtschaft. Ein Konzept, das sich über Jahre gut in Deutschland ausgebreitet hat. Annähernd 300 Solawis waren vergangenes Jahr Mitglied im Netzwerk Solidarische Landwirtschaft e.V. – biozertifiziert sind nicht alle – allen gemeinsam aber ist klar, dass sie ausbrechen wollen aus dem globalen Gemüsemarkt: Ernteteiler:innen finanzieren den Gemüseanbau meist über Jahresverträge. Die Gärtner:innen können damit entspannter wirtschaften, da die wirtschaftlichen Risiken für diese Zeit abgedeckt sind. Fällt die Ernte üppig aus, erhält die Kundschaft auch üppige Anteile für die Küche. Wird es weniger, weil zum Beispiel das Wetter nicht mitspielt, dann reduzieren sich die Anteile – obwohl voll bezahlt. Damit stehen die Solawis für eine neue, für eine risikoteilende Landwirtschaft, bei der die Kundschaft das Risiko mitträgt.
Die Biokreis-zertifizierte Solawi Hofkollektiv eG in Wipperfürth hat sich für ein besonders geschicktes Konzept entschieden. Das Kollektiv gibt es seit 2020 und wird getragen von einer Genossenschaft, in der jede:r Ernteteiler:in Mitglied ist, und eine Einlage bezahlt. Da liegt dann auch schon mal etwas Geld auf der nicht ganz so hohen Kante, um Investitionen mitzufinanzieren, zum Beispiel der neu gekaufte – kleine – Trecker für den Gemüse-Anbau.
Aktiv auf dem Gemüseacker und in den Gewächshaus-Tunneln sind Freya Krüske und Michael Rethwisch, die sich mit voller Kraft um die rund 35 verschiedenen Kulturen kümmern. Patrick Beyer unterstützt auch, ist aber hauptsächlich für die Bildungsarbeit zuständig. Dazu kommt eine Aushilfe für die Gärtnerei und ein Bundesfreiwilligen-Dienstleister. Denn als gemeinnützige Genossenschaft ist das Hofkollektiv auch Einsatzstelle für den Bundesfreiwilligendienst geworden – und Ansprechpartner für Spender und Stiftungen, die das Bildungsprogramm mitfinanzieren. Denn auch Kinder und Jugendliche dürfen lernen, wo das leckere Gemüse herkommt, eben aus guter Bergischer Erde und nicht aus dem Supermarktregal.
Biokreis Solawi Gemüse – Vielfalt zu jeder Jahreszeit
Und was da so alles wächst, auf den 1,5 Hektar und in den 400 Quadratmetern Gewächshaus-Tunneln! Im Frühjahr startet es mit Salaten, Frühlingszwiebeln, Stielmus, Mangold – und dann folgen im Lauf der Zeit verschiedene Kohlsorten, Zuckerschoten, Brokkoli, Karotten, Mairübchen, Gurken … dazu gibt es bis in den Winter noch Feldsalat, Grün- und Schwarzkohl, Pak Choi wie auch Pastinaken und Vieles mehr. Ein sommerliches Highlight sind sicherlich die zehn verschiedenen Tomatensorten, oder auch die ausgefallenen Basilikum-Sorten, unter anderem das rote „Thai-Basilikum“. Solawi kann eben auch echte Vielfalt bedeuten.
Und da die Solawi Hofkollektiv eG auch Biokreis-zertifiziert ist, wird hier in ökologischen und hofspezifischen Kreisläufen gedacht und gehandelt. Da dies alles auf dem Wipperfürther Gut Kremershof stattfindet (ebenfalls ein Biokreis-Betrieb), ist hier tierischer Dung gleich aus dem Nachbarstall verfügbar. Zusätzlich setzen Freya Krüske und Michael Rethwisch auf eigenen Kompost. Viele Pflanzen werden in Mulch gesetzt – der die Bodenfeuchte reguliert, Nährstoffe abgibt, und damit die Bodenlebewesen stärkt, die den Stickstoff im Boden anreichern.
Tierische Ernteretter im Einsatz
Damit in feuchten Jahren die Schnecken nicht die Salate aufzehren, hat das Hofkollektiv zwei Trupps Laufenten im Einsatz – denen schmecken die Schnecken! Der Salat bleibt dank ihnen größtenteils für die Kundschaft. Und dann gibt es noch die Ansitzstangen für die Bussarde, die fleißig auf Mäusejagd gehen – auch gut für das Überleben des Gemüses. Die Insektenhotels locken die Wildbienen an, die sich dann wieder an die Bestäubung der benachbarten Obstwiesen begeben. Weil sich in einer solchen Vielfalt schlechter pflanzenspezifische Schädlinge ausbreiten können, ist die Vielfalt auch ein Mittel zur Schädlingsabwehr. „Da brauchen wir eben keine Chemie – und bieten unseren Ernteteiler:innen echte Vielfalt“, so Gärtner Michael Rethwisch.

Frische auf Rädern direkt in deine Stadt
Die Ernteteiler:innen werden von der Solawi nicht nur jede Woche mit frischem Gemüse verwöhnt – online gibt es immer wieder auch Rezepte und gute Tipps. Überhaupt ist es – wo immer möglich – ein Geben und Nehmen zwischen Kundschaft und Betrieb. Monatliche Mitmachtage sind die Chance für die Kundschaft, auch mal den Arbeitsalltag auf dem Feld kennen zu lernen. Das ist nicht für jeden etwas, aber helfende Hände sind immer willkommen. Und weil Solawi-Interessent:innen nicht nur rund um Wipperfürth leben, wird das Gemüse donnerstags und freitags auch durch die Gegend gerollt. Depots werden angefahren, wo sich die Solawi-Unterstützer:innen ihre Portion abholen können – in Köln kann das sein, Bergisch Gladbach, Engelskirchen, Lindlar, Remscheid, Leverkusen und auch direkt in Wipperfürth. Das spart auch der Kundschaft Wege: Besser, der Kohl kommt in ihre Nähe, als dass jeder nach Wipperfürth rollt. Auch ein kleiner Beitrag zum Klimaschutz und echter Kundenservice.
Das frische Gemüse ist dann nicht nur unvergleichlich knackig und lecker, es enthält auch wichtige Nährstoffe, denn die Verluste von Vitaminen und Nährstoffen können beim Transport – besonders bei z. B. schwankenden Temperaturen, oder, wenn irgend etwas nicht so gut läuft – um die 50 Prozent betragen. Gut, dass dann das Solawi-Gemüse immer frisch ankommt.
Beispiel Mangold. Mangold ist oft in den Supermärkten schwierig zu erhalten. Dabei ist das Gemüse ein Beitrag zu einer guten, gesunden und ausgewogenen Ernährung. Mangold liefert Vitamin C, auch Betacarotin, das im Körper zu Vitamin A umgewandelt wird. Außerdem steckt im frischen Mangold mehr Kalium als in einer Banane, der Kalziumgehalt ist pro 100 g fast so hoch wie in der Kuhmilch. Wenn das keine guten Argumente sind …

Peter Schmidt ist Ökolandwirt und Vorstand des Biokreis Erzeugerring NRW und Niedersachsen e.V.