“Das grüne ist für Bienen reine Wüste”

Von Ronja Zöls-Biber | Gepostet am 22.10.2023

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Josef Wirkert betreibt die Biokreis-Imkerei Woidwerk und weiß um die Herausforderungen für Land-Honigbienen in Zeiten des Klimawandels.

Perlesreut – ein Erholungsort zwischen den Flusstälern der Ilz und der Ohe mit 30 Dörfern und Weilern, und wohin man auch blickt – Grün auf den sanften Hügeln des Bayerwalds. In dieser landschaftlichen Augenweide betreut Biokreis-Imker Josef Wirkert (65) seine 24 Bienenvölker. „Das Grüne gefällt uns Menschen. Für die Bienen ist das reine Wüste“, sagt er. „Durch ihre Augen ist nur das, was Farbe hat, schön.“ Leider sei die Landbiene heute hauptsächlich von industrieller Landwirtschaft umgeben. Für sechs seiner Völker reichen die Feldraine, Hausgärten und Friedhöfe rund um ihr Bienenhaus herum aus. Die anderen fährt Josef Wirkert im Frühjahr an vier andere Standorte, unter anderem an den Rand der 35 Kilometer entfernten Stadt Passau. „Den Stadtbienen geht es besser als den Landbienen.“ Dennoch sieht er seinen Land-Honigbienen zufrieden zu, die Ende Juli rund ums Bienenhaus zwischen Grün- und Weideland gerade „Spaßflüge“ machen. „Sie bringen nichts mehr heim. Aber sie waren fleißig genug.“

Erst vor zehn Jahren ist der Sparkassen-Betriebswirt unter die Imker gegangen. Damals hatten sich Gespräche mit einem bienenhaltenden Kollegen immer mehr in die theoretische Imkerei vertieft, bis ihm der Kollege ein Volk schenkte und eins verkaufte. Auf dem Mini-Balkon seiner kleinen Stadtwohnung, in der er während der Arbeitswoche lebte, schaffte der gebürtige Perlesreuter es, die beiden Völker über den Winter zu bringen. Nach und nach arbeitete er sich in die Imkerei ein, machte schließlich in Österreich die Ausbildung zum Bienenfacharbeiter. „Ich musste viel lernen. Das Wissen eines Vaters oder Großvaters, von dem viele Imker:innen profitieren, fehlte mir“, erzählt er, der statt dessen vom Erfahrungsschatz der älteren Kollegen im örtlichen Imkerverein lernt. Seinen Bruder, einen konventionellen Landwirt, versuchte er lange zum Umstieg auf Öko-Landwirtschaft zu überreden – bis der sagte: „Du Heuchler, mach doch selber Bio!“ Stimmt eigentlich, dachte sich Josef Wirkert, lernte noch mehr über die wesensgerechte Imkerei und wurde in diesem Jahr Mitglied im Biokreis.

Wenn ich beim Imkern nicht mehr weiter weiß, bin ich eine Biene. Durch ihre Augen treffe ich die besten Entscheidungen.

Josef Wirkert

Die Biene folgt dem Sonnenstand

Als Josef Wirkert „neu“ war an seinen Standorten, bekam er von der Nachbarschaft die Rückmeldung, dass ihre Obstbäume spürbar von den Bienen profitieren. Und auch seinen Bienen geht es an den gewählten Standorten gut. Trotzdem nimmt er zunehmend eine Veränderung und wachsende Herausforderung für seine Bio-Imkerei auf dem Lande wahr. Die Tracht beginnt aufgrund der Erwärmung immer früher im Jahr. Doch das bedeutet keineswegs, dass seine Bienen früher ausfliegen und Pollen suchen. „Die Biene ist ein von der Evolution geprägtes Tier und folgt nicht dem Wetter, sondern dem Sonnenstand“, erklärt er. Die Königin brüte also genau zur selben Zeit wie seit jeher: Zur Wintersonnenwende ist keine oder kaum Brut im Volk, zur Sommersonnenwende legt die Königin rund 2000 Eier am Tag. Wenn also die Tracht im Frühjahr klimabedingt zu früh einsetzt, sind viele Völker noch nicht ausgereift und noch nicht zum Sammeln bereit. Sie erwischen später nur noch einen Teil der Tracht.

„In diesem Jahr war es jedoch anders“, wirft Josef Wirkert ein. Nach der langen Regenphase im Frühjahr, in der er seine daheim verharrenden Bienen sogar teilweise füttern musste, war das Volk gesund und stark. Dann explodierte die Natur, alles blühte gleichzeitig, die Bienen flogen aus und bekamen alles auf einmal – und die Honigernte wird überdurchschnittlich sein. Denn für guten Honig ist auch Wasser notwendig, der wegen des vielen Regens ausreichend im Nektar vorhanden ist. Das begünstigt die Ernte zusätzlich. In einem Passauer Stadtpark sammelten die Bienen fleißig Nektar und Pollen.

An einem weiteren Standort im stadtnahen Flusstal der Ilz profitieren die Insekten indirekt vom Klimawandel. Der Borkenkäfer hat sich aufgrund der wärmeren Temperaturen und der trockenheitsanfälligen Fichten ausgebreitet. Wo seit fünf Jahren Käferholz weggefahren wird, wachsen in den neuen Lichtungen Himbeeren und Brombeeren, welche die Delle zwischen Blüten- und Waldtracht überbrücken.

Bild: Ronja Zöls-Biber

Wenn der Wald Honigtau hervorbringt, was nicht jedes Jahr der Fall ist, fährt er einen Teil seiner Völker zum Ende der Trachtsaison in einen nahe gelegenen großen Staatswald. Im vergangenen Jahr schien dies vielversprechend, doch dann machte ihm ein Extremwetterereignis einen Strich durch die Rechnung. Zwei Starkregenfälle kurz hintereinander, und die Läuse, die den Honigtau erzeugen, wurden endgültig von den Blättern geschwemmt – die Ernte war vermasselt.

„Hier zählt die Intuition“

Doch die veränderten Umweltbedingungen setzen Josef Wirkerts Völkern auch auf andere Weise zu. Die Temperatur im Bienenstock beträgt konstant 35,5 Grad. Bei hohen Außentemperaturen wird es im Bienenkasten ähnlich heiß wie in einem Auto, und ein hoher Klimatisierungsaufwand entsteht. Das Eintragen von Wasser und Abtransportieren überschüssiger Wärme mit den Flügeln an vielen heißen Tagen belasten das Volk. Wird es in den Wintern nicht richtig kalt, wird das Volk nicht brutfrei, und die Varroamilbe kann sich das ganze Jahr über in den Brutzellen vermehren.

Josef Wirkert hat sich für die schonende Methode der Wärmebehandlung entschieden, um den Schädling zu bekämpfen. Die Königin rahmt er in eine Wabe ein, wo sie zwölf Tage lang Eier legt. Im Hyperthermiegerät sterben die Varroamilben bei 42 Grad ab, die Brut kann danach zurück ins Bienenvolk. Dann wird der Vorgang noch einmal wiederholt. Nach 24 Tagen sind wenige bis keine Milben mehr im Volk.

Die Methode ist aufwändig, zeit- und geldintensiv, aber nach einem durchgetakteten Berufsleben liebt Josef Wirkert im Ruhestand sorgfältiges, meditatives und entspanntes Arbeiten. „Im Job war ich ein Kopfmensch, aber hier zählt die Intuition“, sagt Josef Wirkert. „Je älter ich werde, desto mehr merke ich, dass ich ihr folgen muss. Wenn ich beim Imkern nicht mehr weiter weiß, bin ich eine Biene. Durch ihre Augen treffe ich die besten Entscheidungen.“

Profilbild

Ronja Zöls-Biber

Leitung Presse- und Öffentlichkeitsarbeit / Redaktionsleitung BioNachrichten