Künstliches Essen – das Zukunftsgeschäft aus dem Labor
In Richard Fleischers Science-Fiction-Film „Soylent green“ aus dem Jahr 1973 ernährt sich die Bevölkerung in einer Zeit, in der es kaum noch natürlich hergestellte Lebensmittel gibt, von grünen Keksen – ohne zu wissen, dass diese aus dem Fleisch von Menschen hergestellt werden. Was uns damals als utopisches Szenario fassungslos vor den Bildschirmen ausharren ließ, erfährt vor den aktuellen Problemen mit einer schnell wachsenden Weltbevölkerung, fortschreitendem Klimawandel und dem überbordenden Ressourcenverbrauch durch industrielle Tierhaltung eine bedrückende Aktualität. Ein Kommentar von Biokreis-Geschäftsführer Josef Brunnbauer.
Natürlich geht es in der Realität nicht um Menschen, die zu Lebensmitteln verarbeitet werden sollen, jedoch um die Thematik von hochverarbeitetem, fernab von der Verbraucherschaft erzeugtem Essen. Denn im Labor hergestellte Fleisch- und Fleischersatzprodukte sollen bald zu unserer Lebenswirklichkeit gehören. Die Grundüberlegung dazu scheint im Prinzip positiv und nachvollziehbar, dient sie doch einer nachhaltigen Ernährungssicherung mit weitgehender Ressourcenschonung und der Befriedung von ethischen Ressentiments hinsichtlich Fleischkonsum, Tierleid und Tod.
Soweit die graue Theorie, denn in Wirklichkeit geht es natürlich nicht um die Frage, wie wir die Welt mit Laborfleisch retten, sondern um das richtig große Geschäft für ein paar wenige Unternehmen. Diese investieren schon jetzt Milliarden in die Forschung, um sich die Monopolrente für den Tag zu sichern, an dem künstlich hergestelltes Fleisch billiger zu erzeugen ist als lebende Tiere in Massentierhaltung. Darüber kommt die aktuelle Technik bisher nicht ganz ohne Tiere aus, denn als Grundlage für die Produktion von Kunstfleisch bedarf es Muskelgewebe von lebenden Tieren. Die Entnahme stellt bekanntlich einen chirurgischen Eingriff dar und geht für Tiere in der Regel nicht ohne Stress und Schmerzen von statten. Die weitere Produktion auf Basis dieses „Nährbodens“ bedarf entsprechender Nährstoffe und womöglich jeder Menge Energie. Auch wenn man davon ausgeht, dass die Herstellung von künstlichem Fleisch bis auf Weiteres ein Nischendasein fristen wird, könnte die Anwendung gentechnischer Verfahren die Fortschritte erheblich beschleunigen und möglicherweise die Produktpalette sprunghaft erweitern. Schon jetzt wird neben Fleisch die Herstellung von künstlicher Milch diskutiert.
Wenn diese Technik Nahrungsmittel billiger anbietet, als es die herkömmliche Lebensmittelproduktion leisten kann, wird es Landwirtschaft so nicht mehr geben, wie wir sie heute kennen. Das ist kein Schaden, wird derjenige sagen, der den Konsum von tierischen Lebensmitteln mit Tierleid, Umweltzerstörung und Welthunger in Verbindung bringt. Was damit vernachlässigt wird, ist die Hybris von zentralistischen Monopolen, deren einziges Credo die Gewinnmaximierung und die Optimierung des „shareholder value“ bedeutet.
Oft vergessen wir, dass Tierhaltung neben der Gewinnung von Fleisch viele weitere Aspekte beinhaltet, die nicht mittelbar mit der Erzeugung von Lebensmitteln zu tun haben. Unter anderem machte das Halten von Tieren den Menschen sesshaft, ließ die Bevölkerung wachsen, gestaltet heute noch Kulturlandschaften und ist unverzichtbar für die Artenvielfalt in Flora und Fauna. Tiere sind für den Nährstoffkreislauf in der Landwirtschaft von zentraler Bedeutung. Darüber hinaus stellt die artgerechte, umwelt- und klimafreundliche Tierhaltung einen Grundpfeiler der ökologischen Landwirtschaft dar.
Im Wissen, dass wir weniger, aber dafür gutes Fleisch essen sollten, braucht es einen Paradigmenwechsel im Ernährungsverhalten, der nachhaltige Ernährungssysteme befördert und stützt. Auch wenn das Steak im Labor noch nicht gelingen mag, werden wir mit weiteren Alternativen zu natürlichen tierischen Lebensmitteln konfrontiert werden. Bis dahin gilt es, die Leistungen intakter Ökosysteme mit Tierhaltung als unverzichtbarer Bestandteil weiter zu entwickeln und allen Beteiligten bewusst zu machen, dass ihr Konsumverhalten entscheidend dafür ist, welche Ernährungssysteme künftig eine Rolle spielen.