Stille Herausforderer für unsere Landschaften – Invasive Pflanzen und Tiere

Auf meinen täglichen Spaziergängen am Donauradweg nahe Passau wirkt die Natur zunächst wie ein buntes Gemälde. Rosa Blüten des Indischen Springkrauts und leuchtend gelbe Rispen der Kanadischen Goldrute leuchten im Sonnenschein, und Schmetterlinge wie auch Bienen summen zwischen den Blüten. Doch das schöne Bild hat eine Schattenseite: Manche heimischen Pflanzen und Tiere geraten zunehmend unter Druck – verdrängt von Arten, die aus anderen Weltregionen nach Europa gelangt sind. Auf den ersten Blick wirken sie attraktiv und insektenfreundlich, doch ihre rasante Ausbreitung stellt eine ernsthafte Herausforderung für die heimische Flora, Fauna und die Landwirtschaft dar.
Eingeschleppte Arten – nicht immer harmlos
Nicht jede eingeführte Art wird zur Bedrohung. Von den vielen Pflanzen und Tieren, die durch Handel, Tourismus oder den Klimawandel nach Europa gelangen, ist nur etwa ein Prozent tatsächlich invasiv. Doch genau diese wenigen Arten können erhebliche Schäden anrichten: Sie verdrängen heimische Pflanzen, verändern Ökosysteme und belasten die Landwirtschaft. Seit 1960 werden die wirtschaftlichen Folgekosten in Europa auf über acht Milliarden Euro geschätzt.
„Unser Schicksal hängt nicht von
den Sternen ab, sondern von
unserem Handeln.“ – Shakespeare
Manche Arten wurden absichtlich eingeführt, etwa als Zierpflanzen oder Nutztiere. Andere gelangten unbemerkt zu uns – im Ballastwasser von Schiffen, in Pflanzensubstraten oder über den Warenverkehr. So kam beispielsweise die Asiatische Hornisse nach Frankreich und die Kirschessigfliege vermutlich mit befallenen Früchten nach Südeuropa.
Beide sind meldepflichtig und sind zusammen mit weiteren 112 Arten Teil der sogenannten Unionsliste. Die EU führt in dieser streng kontrollierten Liste meldepflichtige invasive Arten.
Ich habe einige Pflanzen und Tiere genauer unter die Lupe genommen, die auf der Unionsliste stehen und aktuell eine Herausforderung für die Landwirtschaft darstellen.

Die Herkulesstaude – imposant, aber riskant
Die Herkulesstaude, auch Riesen-Bärenklau genannt, stammt aus dem Kaukasus. Ende des 19. Jahrhunderts als Zierpflanze beliebt, breitet sie sich seit Jahrzehnten entlang von Flüssen und Straßen aus. Ihre Samen können bis zu sieben Jahre im Boden überdauern, Wind und Wasser verbreiten sie weit.
Der Pflanzensaft verursacht bei Hautkontakt schwere Verbrennungen, auch Nutztiere sind gefährdet. Wegen dieser Risiken wurde die Staude 2008 zur „Giftpflanze des Jahres“ erklärt.
Die Bekämpfung ist aufwendig: Schutzkleidung ist beim Ausgraben Pflicht, Hochspannungslanzen zerstören gezielt die Wurzeln. Peter Schmidt vom Klosterhof Bünghausen erzählt mir von der „Haselnuss-Stecken“-Methode: „Nach dem Mähen bleibt der hohle Stängel offen wie eine Röhre. Ein spitzer Haselnuss-Stecken wird tief bis zur Wurzel eingeführt, um die Pflanze nachhaltig zu schwächen. Die Herkulesstaude frisst nicht jedes Schaf, aber meine Bergschafe lieben sie.“ Tatsächlich fressen Schafe und Ziegen die Pflanze noch vor der Blüte und Samenbildung. Städte wie Kassel, Essen oder München nutzen diese Methode übrigens gezielt in der Landschaftspflege.
Winzige Invasoren – die Schilf-Glasflügelzikade
Gerade einmal fünf Millimeter groß und doch problematisch: Die Schilf-Glasflügelzikade stammt ursprünglich aus dem Mittelmeerraum und breitet sich seit den 1990er Jahren in Mitteleuropa aus. Ihr eigentliches Risiko liegt in der Übertragung von Bakterien wie „Stolbur“, die Zuckerrüben, Kartoffeln und Möhren schädigen. Die Folgen reichen von schrumpeligen Knollen bis hin zu Ernteverlusten.
Zur Kontrolle helfen Anbaupausen und Wechsel der Fruchtfolgen, der Einsatz natürlicher Gegenspieler oder biologischer Pflanzenschutzmittel, ebenso wie moderne Monitoring-Systeme mit Klebetafeln, Fangnetzen und digitaler Erfassung.
Das Julius-Kühn-Institut erforscht im Projekt BEET-Protect, ob sich die Schilf-Glasflügelzikade – Überträger der SBR-Krankheit – durch Infochemikalien (Duftstoffe) vom Saugen an Pflanzen abhalten oder vertreiben lässt. Ziel ist eine umweltverträgliche Regulierung des Schädlings und damit die Sicherung des heimischen Zuckerrübenanbaus; gefördert wird das Vorhaben bis 2028 mit rund 940.000 Euro von der Zuckerindustrie.
Gemeiner Stechapfel – eine altbekannte Gefahr
Der Gemeine Stechapfel wirkt unscheinbar, ist jedoch stark giftig. Ursprünglich vermutlich aus Mexiko und Nordamerika eingeschleppt, gehört er seit Jahrhunderten zu unserer Flora. Besonders in Mais-, Soja- oder Sonnenblumenfeldern tritt er als Konkurrent der Nutzpflanzen auf.
Moderne Projekte wie „StopDatura“ kombinieren Drohnen und KI, um Beipflanzen oder Schädlingsbefall frühzeitig zu erkennen. So können Landwirte gezielt eingreifen – ressourcenschonend und präzise.
Jakobskreuzkraut – heimisch, aber problematisch
Das Jakobskreuzkraut mit seinen gelben Blüten wächst am Wegesrand und auf Weiden. Für Tiere wie Rinder, Pferde und Schafe ist es gefährlich, da die enthaltenen Alkaloide die Leber schädigen und zum Tod führen können.
Neben Mähen und Ausstechen hilft hier ein natürlicher Gegenspieler: die Raupen des Blutbären-Schmetterlings, die die Pflanze stark schwächen. Ein Beispiel für biologische Kontrolle, die effektiv und ökologisch verträglich ist. M E L D E P F L I C H T !!!
Neue Bedrohung aus Südamerika – der Plattwurm Obama nungara

Was wir tun können
Die Ausbreitung invasiver Arten lässt sich nur durch gemeinsames Handeln eindämmen: Vorsichtiger Pflanzenkauf und umsichtiges Verhalten beim Reisen oder Wassersport sowie das Melden der invasiven Arten helfen, unsere heimische Natur zu schützen. Gleichzeitig zeigen viele eingeführte Arten auch positive Seiten: Sonnenhut, Lavendel oder Maulbeerbäume sind wertvolle Bienenweiden, Marienkäfer jagen Schädlinge, Regenwürmer verbessern den Boden. Zander stabilisieren Teichökosysteme. Mit umsichtigem Handeln können wir die Vielfalt bewahren und zugleich die positiven Effekte eingewanderter Arten nutzen.
- Unionsliste invasive Arten über den Nabu
www.nabu.de/tiere-und-pflanzen/artenschutz/invasive-arten/unionsliste.html
- Bestimmungs- und Melde Apps
Über diese Apps könnt Ihr Pflanzen und Tiere bestimmen. Die von Euch gesammelten App-Daten von observation.org werden aktiv genutzt zur Verfolgung der Ausbreitung von Arten und des Klimawandels, zur Früherkennung invasiver gebietsfremder Arten, zur Überwachung von Krankheitsüberträgern sowie zur Förderung der Bürgerbeteiligung. Die Daten sind in über 2.000 wissenschaftlichen Publikationen enthalten.
www.observation.org/apps/
Die Autorin Elena Georgieva ist Mitarbeiterin beim Biokreis e.V.
und privat eine leidenschaftliche Hobbygärtnerin.