Zwei Fliegen auf einen Streich

Von Simone Paintner | Gepostet am 29.09.2025

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Mit meiner Kollegin Elena zusammen habe ich den Biokreis-Hof Gruber in Kiefersfelden besucht, und zwei junge Menschen getroffen, die mit Engagement und fachlichem Know-How den Biohof Gruber auf wirtschaftlich solide Beine gestellt haben und zudem auch einen Hofladen betreiben. Ein wunderbarer Grund, unsere beiden Serien „Newcomer“ und „Hinter dem Ladentisch“ dieses Mal zu verbinden.

Wir sind in Kiefersfelden angekommen und halten Ausschau nach dem Biohof Gruber. Trotz Navi ist es gar nicht so einfach, den Hof zu finden. Wir fahren einen langen Weg entlang, der immer einsamer wird, ein kleiner schöner Badesee taucht auf und … endlich … am Ende des Weges treffen wir auf das schöne landwirtschaftliche Anwesen der Familie Gruber.

Eine gute „Lauflage“ ist das ja nicht gerade für einen Hofladen, denken wir, doch dafür gibt es einen Grund und wir werden ihn im Laufe unseres Besuchs noch erfahren. Der Eingang des Hofladens sieht ansprechend und modern aus, aber niemand steht hinter dem Ladentisch – es ist ein Selbstbedienungsladen. Drinnen stehen eine Kühlung und ein Gefrierschrank für die hofeigenen Fleisch- und Wurstwaren und zwei Regale mit Bio-Nudeln, -Getreide, -Gewürzen, oder -Marmeladen, die von anderen Biohöfen stammen. Am Fenster hängen auf einer Kleiderstange bunte Stoffbeutel zum Verkauf und auf dem Ladentisch steht eine kleine Schatztruhe als Kasse, an die mehrere Zettel angebracht sind. Zum einen ein Zettel mit QR-Code fürs Bezahlen mit PayPal und zum anderen die Anleitung wie‘s geht mit PayPal.

Aber wir möchten ja mit jemanden sprechen. Wir klingeln im Wohnhaus und ein junger Mann begrüßt uns, Andreas Gruber (27), der zusammen mit seiner Verlobten Charlotte Klein (25) und einer FÖJlerin (Freiwilliges Ökologisches Jahr) die Landwirtschaft betreibt. Andreas und Charlotte laden uns zum Gespräch auf die Terrasse vor dem schönen Badesee ein und beide erzählen über die Umstände, die dazu geführt haben, dass sie so jung die Landwirtschaft übernommen haben, und sie verraten uns ihr Konzept für die gemeinsame Zukunft auf dem Hof.

Andreas Gruber …
… und Freundin Charlotte Klein. Bilder: Biokreis

Ein trauriger Anlass

2018 verstarb plötzlich der Vater von Andreas Gruber und er sah sich von heute auf morgen einer großen Herausforderung gegenüber. 70 ha Land, davon 5 ha Wald, 61 ha Grünland und 4 ha Ackerland erfolgreich zu bewirtschaften, Ziegen und Schafe zu versorgen – das ist ja schließlich kein Pappenstiel. Er selbst und auch Charlotte Klein befanden sich zudem noch im Studium der Agrarsystemwissenschaften an der TU München, doch es musste erstmal irgendwie weitergehen. Die zwei jungen Leute wollten nichts überstürzen und ließen sich Zeit zum Überlegen. In dieser Zeit haben die Mutter von Andreas, Irene, und seine Schwester Lucia die tägliche Arbeit am Hof geleistet. So hatten Andreas und Charlotte genug Freiraum ihr Studium fortzuführen und den Hof für die Zukunft neu auszurichten, denn ein wirtschaftlich tragbares Konzept sollte es sein. Mit ihrer Ausbildung wären ihnen in der freien Wirtschaft sicherlich viele lukrative Türen offen gestanden, aber die Leidenschaft für Land und Tiere, die emotionale Bindung zum Lebenswerk der Eltern von Andreas Gruber und den Generationen davor (die Hofstelle wurde um 1120 erstmals schriftlich erwähnt) und natürlich ein guter wirtschaftlicher Plan, hat sie schließlich zu dem Entschluss gebracht, die Landwirtschaft weiterzuführen und den marktwirtschaftlichen Gegebenheiten anzupassen.

Das neue Hof-Konzept

Andreas und Charlotte stellten um auf Schweine-, Rinder- und Schafhaltung und setzten auf Direktvermarktung. In relativ kurzer Zeit konnten sie mit ihren Produkten Gastronomiebetriebe mit gehobener regionaler Küche von ihren Produkten überzeugen. Heute zählen bereits vier Restaurants zu ihren ständigen und guten Abnehmern. 2024 entschlossen sie sich zur Eröffnung ihres Hofladens, da die bisher angebotenen 5 kg Fleischpakete für viele Abnehmer:innen oft zu viel waren. Deshalb bieten sie jetzt auch kleinere Fleischpakete an, sowie Schinken, Würste u.v.m. Als reiner Selbstbedienungsladen wird morgens aufgesperrt und abends wieder zugesperrt. Ihr Konzept basiert auf Vertrauen. Eine kleine Kasse steht als Bezahlmöglichkeit bereit sowie ein QR-Code der zu PayPal führt. „Wir haben uns bewusst dafür entschieden, Kund:innen aus dem Umkreis von Kiefersfelden anzusprechen, denn wenn man sich kennt, dann klappt das auch mit dem Vertrauen besser“. Und es klappt! Das ist auch der Grund, warum Andreas und Charlotte die eher versteckte Lage des Hofladens bevorzugen, denn sie wollen keine Touristen anlocken, die einmal was mitnehmen und womöglich nicht mal bezahlen, weil sie die Menschen hinter den Produkten nicht kennen.

Qualität, die überzeugt

Die hofeigenen Produkte sprechen für sich: Haltung, Verarbeitung und der Geschmack stimmen einfach. Die Zutaten stammen ausschließlich vom Hof und wer will, kann sich mit eigenen Augen davon überzeugen, dass es den Tieren vom Anfang ihres Lebens bis zum Ende gut geht. Zum Ende gehört auch eine stressarme Schlachtung bei einem regionalen Metzger, das ist Andreas und Charlotte außerordentlich wichtig. „Diese Offenheit und die Qualität kommen an und mittlerweile können wir uns über ca. 120 Stammkund:innen freuen, die weitgehend regelmäßig im Hofladen einkaufen“, erzählen uns die beiden.

Ein paar Blümchen noch …

Angrenzend an den Hofladen hat Charlotte ein kleines Feld mit hübschen Blumen zum Selberpflücken angelegt, was als krönender Abschluss zum Einkauf gerne in Anspruch genommen wird. Sonnenblumen, Löwenmäulchen, Zinnien, Amaranth … eine wunderbare Auswahl für einen bunten Sommerstrauß! Natürlich wird auch hier den Kund:innen vertraut, dass sie den richtigen Betrag in die Kasse legen bzw. überweisen.

Alles in allem ist der Hofladen ein lukrativer Teil in der Gesamtvermarktung, und das ist noch nicht alles: Das gepflegte Anwesen im traditionellen, alpenländischen Baustil mit Geranien, Bergpanorama und Badesee vor der Haustür lädt zum Urlaub machen ein. Zwei Ferienwohnungen stehen für Gäste bereit mit einer Belegung von gut 220 Tagen im Jahr.

Fleisch, Schinken, Würstchen, Eis … mmmh lecker!
Der Biohof Gruber liegt an einem schönen Fleckchen Erde …
Bilder: Biokreis

Einmal im Jahr findet, meist im Rahmen der Bio-Erlebnistage, ein großes Hoffest statt. Letztes Jahr gab es sogar den Preis für die schönste Veranstaltung. Das erfüllt Charlotte und Andreas natürlich mit Stolz – überhaupt können sie auf alles, was sie bisher gemeinsam auf die Beine gestellt haben, richtig stolz sein!
Wir brauchen uns also keine Sorgen machen, denn Andreas und Charlotte meistern ihre Aufgaben mit Ideen, Mut und Realitätssinn und legen bereits ein solides Fundament für die nächste Generation, auf die sie sich wohl schon vorbereiten – denn nächstes Jahr wollen sie Hochzeit feiern!

Da gratulieren wir natürlich herzlich und wünschen den beiden viel Glück und Erfolg für die Zukunft!

Die Autorin Simone Paintner ist Mitarbeiterin beim Biokreis e.V. und
nicht nur im Büro der kreative Geist.

Simone Paintner