Das alte Jahr hinausräuchern

Getrocknete Kräuter verglühen zu lassen, ist ein alter Brauch, der vor allem in den Rauhnächten
Anwendung fand. Beate Quathamer-Gottschaller hat sich auf das Räuchern spezialisiert und profitiert
das ganze Jahr über von diesem Ritual.
Rauhnächte – dieses geheimnisvoll klingende Wort ruft Assoziationen mit Dunkelheit, Kälte, bösen Geistern und mystischen Ritualen hervor. Es sind die zwölf Nächte zwischen Heiligabend und dem Dreikönigstag, in denen sich der Jahreslauf schließt und allmählich in einen neuen übergeht. „Es ist die Zeit der Seele, sich seiner Selbst bewusst zu werden und sich neu auszurichten“, sagt Beate Quathamer-Gottschaller von der Biokreis-Bäckerei Gottschaller in Malching (Landkreis Passau). Die Wandlung des Geistes in bewusster Ausrichtung auf das kommende Jahr erfährt in ihrem Leben seit vielen Jahren Unterstützung durch den alten Brauch des Räucherns. „Die Rauhnächte können sehr gut dazu genutzt werden, mit Hilfe des Räucherns einen neuen Zugang zu den eigenen Themen und Verständnis für sich selbst zu finden.“


Holz, Harze, Kräuter, Körper, Seele, Geist
Weil sich diese Chance aber nicht nur in diesen zwölf Nächten bietet, räuchert Beate Quathamer-Gottschaller das ganze Jahr über und gibt sogar Kurse dazu. Vor knapp 20 Jahren stieg sie selbst sehr unverhofft in das alte Brauchtum ein. Eine befreundete Biokreis-Bäuerin, Martina Egger vom Nachbarhof, betrieb damals einen Kräuterladen und fragte Beate Quathamer-Gottschaller, ob diese nicht Vorträge übers Räuchern halten könne. „Was? Ich kann lediglich ein Räucherstäbchen anzünden“, entgegnete diese damals überrascht. Doch als Gerontofachkraft in der Altenpflege wirkte sie auch als Dozentin und war es gewohnt, Vorträge zu halten. Also begann sie, sich in das Thema einzulesen. Wie intensiv, ist heute noch an ihrem Bücherregal zu erkennen, das vollgepackt ist mit Büchern übers Räuchern. „Das Thema nahm mich gefangen“, erinnert sie sich. Abends am Küchentisch schrieb die dreifache Mutter Rezepte und Kräutermischungen auf. Im Wald ging sie Holz, Harze und Kräuter sammeln. Und 2007 gründete sie schließlich ihr Unternehmen „Räucherwiese“.


Quathamer-Gottschaller wird täglich geräuchert
Holz, Harz und Kräuter: Das sind die Elemente, aus denen traditionell jede Räuchermischung besteht. „Holz steht für die Manifestation, Harz für die Andockung ans Universum und das Kraut für die Herzenergie“, erklärt sie. Damit seien Körper, Seele und Geist abgedeckt. Beate nimmt in ihrer Räucherwiese, wie sie den Raum im Betriebsgebäude der Bäckerei nennt, in welchem sie ihre Kräuter lagert und mischt, die Sorte „Waldbad“ aus dem Regal und schüttet das Holz-Harz-Kräuter-Gemisch in einen Kupferkessel. Kupfer komme in seinen physikalischen Schwingungen Gold am nächsten und stärke die ausgleichenden und harmonisierenden Schwingungen der darin entfachten Räucherungen. Schon ohne Wärmequelle breitet sich der Duft in dem kleinen Raum aus. Es ist die Mischung, die Beate auch für die erste Rauhnacht vom 24. auf den 25. Dezember empfiehlt und das Thema „Basis: sei dir deiner Wurzeln bewusst“ verkörpert. Die Kräuter der Rauhnächte sind Lavendel, Rosmarin, Salbei, Thymian, Wacholder, Styrax, Kampfer, Weihrauch, Myrrhe, Engelwurz, Alant, Mistelkraut, Beifuß, Tanne, Fichte und Holunder. Doch auch in der heimischen Natur, oft direkt vor der Haustür, können Kräuter für die Räucherung gesammelt werden: Johanniskraut, Rainfarn, Malve, Spitzwegerich, Kamille, Lorbeer, Birkenblätter, Schafgarbe, Labkraut und Rose sind nur ein paar von diesen
Die Botschaft durch Wärme heraustransformieren
In ihrer Wohnstube gibt Beate schließlich mit einem kleinen Kupferlöffel eine geringe Menge der Mischung auf ein Räucherstövchen und zündet das Teelicht darunter an. Es dauert eine Weile, bis der Duft den Raum erfüllt und seine beruhigende Wirkung entfaltet. „Ich mache mir die Feinstofflichkeit des Krauts täglich zunutze, indem ich seine Botschaft durch die Wärmequelle heraustransformiere“, erklärt Beate Quathamer-Gottschaller. Dafür sei es unbedingt notwendig, die Räuchermischungen stets griffbereit und sichtbar zu haben. Was im Schrank aufbewahrt werde, verschwinde schnell wieder aus dem Gedächtnis und bleibe schließlich ungenutzt. Hat sich der Duft ausgebreitet, gehe er über die Nasenschleimhäute ungefiltert ins lymbische System, wo entschieden wird: Mag ich das oder nicht? „Gerüche sind auch für Gefühle zuständig und damit für unser Wohlbefinden.“
Das Vieh ging durch den Rauch
Im Vordergrund stehe aber beim Räuchern klar die Funktion als Ritual. Dieses habe weniger mit Religion als vielmehr mit den Gesetzmäßigkeiten der Natur zu tun. In die Kerze zu schauen, innezuhalten, in die Kraft der Natur zu vertrauen, sich in Konzentration, Entspannung oder Seelenfrieden begleiten zu lassen oder sich einem Thema zuzuwenden und zu fragen: Kann ich mir selbst eine andere Sichtweise bieten? Eine weitere Möglichkeit: das Rauchwerk zur Reinigung nutzen von Streitigkeiten, Ängsten, Krankheiten. Nicht selten sei Beate als Altenpflegerin nach Todesfällen mit einem Räucherbündel Salbei durchs Sterbezimmer gegangen, habe das Aroma mit einer Feder in die hintersten Ecken gefächelt und die Trauer, die schlechten Gefühle, den Tod hinausgeräuchert. Daneben nutzt sie in ihrem Hauptberuf die Düfte auch als Türöffner für Menschen mit Demenz. Diese würden auf der sinnlichen Ebene stark angesprochen und aktiviert. Darüber hat Beate Quathamer-Gottschaller sogar eine wissenschaftliche Arbeit verfasst. Und noch woanders hat das Räuchern eine lange Tradition: In alten Zeiten wurde in der Landwirtschaft das Vieh zu Beginn des Winters über Rauchwerk getrieben. Bevor es in den Stall ging, musste es durch den Rauch, um dort Reinigung zu erfahren. Und später in den Rauhnächten wurden wiederum Hof und Stall geräuchert. Mensch und Vieh sollten vor Krankheiten geschützt und alte, negative Energien verbannt werden, um Platz für Neues zu schaffen.