„Die Kernthemen des Biokreis sind von so extremer Bedeutung wie selten zuvor“

Simon Krischer, Geschäftsführer Biokreis e.V.
Seit Dezember 2024 führt Simon Krischer die Geschäfte des Biokreis e.V. Im Interview erklärt er die aktuellen Herausforderungen, wie er diesen begegnen will, wo er seine und die Stärken des Verbands sieht und welche Rolle er der Kooperation mit Bioland und dem konventionellen Lebensmitteleinzelhandel beimisst.
Simon, Du übernimmst die Geschäftsführung des Biokreis in stürmischen Zeiten. Das 30-Prozent-Bio-Ziel scheint in weiter Ferne, der Bio-Markt ist im Umbruch, ökologische Themen rücken angesichts multipler Krisen tendenziell in den Hintergrund. Was hat Dich dazu bewegt, trotz vielfacher Herausforderungen die Führung eines Bio-Verbands zu übernehmen?
Segeln in rauer See ist immer interessanter als bei Flaute (lacht). Spaß bei Seite, ja, es sind stürmische Zeiten. Konzepte werden über den Haufen geworfen, neue entstehen. Man muss sehr dynamisch und flexibel sein. Begrifflichkeiten wie „Bio“ oder „Regenerativ“ werden neu gedacht. Letztlich ist es gerade in solchen Zeiten von großer Wichtigkeit, an den zentralen Themen dranzubleiben – und eben „ökologische Themen“, wie Du sagst, nicht in den Hintergrund rutschen zu lassen. Die globalen geopolitischen Herausforderungen, welchen wir uns stellen müssen, stehen ja in direktem Zusammenhang mit eben diesen Themen, Klima- und Naturkrisen sowieso. Volkswirtschaftlich und gesellschaftlich gesehen sind die Kernthemen des Biokreis von so extremer Bedeutung wie selten zuvor.
Wie wurdest Du als Neuer im Verband empfangen?
Wirklich sehr offenherzig. Es hätte eigentlich nicht besser sein können. Und ich weiß: Das ist keine Selbstverständlichkeit. An der Stelle also ein riesiges Dankeschön an das ganze Team!
Wie bewertest Du den Status-quo des Verbands und wo willst Du ihn in fünf Jahren sehen?
Biokreis ist der noch kleinere, aber sehr feine Verband. Es gibt keine Konzernstrukturen. Unser Logo ist rund, und so ist die Sache. Der Verband steht solide und seriös da. Wir sind wendig und haben die Möglichkeit, schnell zu sein. Das ist ein großer Vorteil. In fünf Jahren sehe ich uns als nach wie vor stabilen, wertvollen und geschätzten Verband. Geschätzt von seinen Mitgliedern, gesellschaftlich durchaus etwas bekannter als jetzt, politisch noch aktiver und eben ein maßgeblicher Akteur in all unseren Wirkungsbereichen. Und der Biokreis soll natürlich auch einen absoluten Mehrwert für seine Mitglieder bieten. Es soll sich ökonomisch sehr lohnen, Mitglied im Verband zu sein.
Was ist hierfür notwendig?
Diese Wendigkeit nicht verlieren. Ebenso wenig den Zusammenhalt. Es gibt allerdings eine Reihe an Themen, denen wir uns stellen müssen: Digitalisierung in der Verwaltung, ökonomische Konsolidierung, Ausbau der politischen Arbeit, eng am Markt zu manövrieren, gesellschaftliche und soziale Themen nicht zu ignorieren. Und bei all dem die „alten Werte“ nicht vergessen, welche uns ausmachen.
Wo liegen für diese Ziele Deine persönlichen Stärken?
Ich hatte das große Glück, in den vergangenen Jahren viele tolle Menschen kennenzulernen, von denen ich gelernt habe, den Kontext auf politischer, ökonomischer und gesellschaftlicher Ebene gut zu verstehen. Das Wissen daraus gilt es in ein starkes Netzwerk einzubringen. Für die Themen, für die ich persönlich nicht der Experte bin, kenne ich aber Menschen, die Bescheid wissen, und kann diese gut einbringen und steuern. Das Puzzle in seiner Gesamtheit erkennen und eben managen – strategisch, aber auch operativ. In dieser Aufgabe sehe ich mich.
Wo sind dabei Einsatz des Vorstands, des Teams und der Mitglieder gefragt?
Der Vorstand repräsentiert die Mitglieder und somit die Wünsche und Belange der Verbandsbasis. Im ständigen Austausch mit ihm gelangen diese Themen zu mir und dem tollen Team in Passau und Berlin. Als hauptamtliche Mitarbeitende bringen wir unsere Zeit, Erfahrung und Können ein, diese umzusetzen. Das klingt eigentlich ganz simpel, ist aber natürlich komplizierter und vielschichtiger. Hier und da menschelt es, Einflüsse von Außen kommen dazu, und es gilt natürlich, stets das Gesamte im Blick zu haben – nicht nur die Perspektive eines Mitglieds oder einer gewissen Gruppe. Die Erzeugerringe in den Bundesländern runden dies ab, um auch im engen Kontakt mit den Erzeuger:innen vor Ort und der lokalen politischen und behördlichen Welt zu stehen. Hier müssen wir uns auch gut verzahnen.
Welche Rolle wird künftig die Kooperation mit Bioland spielen?
Bioland ist ein starker Partner. Wir können voneinander lernen und uns gegenseitig unterstützen. Gegenseitige Rohwarenanerkennung und eine Mehrmarkenstrategie sind zwei sehr konkrete Punkte, für die wir uns entschieden haben. Etwas globaler gesehen geht es darum, eine starke Stimme für die ökologische Landwirtschaft, für gesunde Ernährung und eine lebenswerte Zukunft zu erlangen und zu behalten. Das Gemeinsame hervorzuheben und Kräfte zu bündeln – jeder auf seine Art und Weise sowie mit seinem Charme –, wird uns hier ganz sicher nur von Vorteil sein.
Und wo liegen Chancen und Risiken für die Zusammenarbeit mit dem konventionellen Lebensmitteleinzelhandel?
Der LEH existiert und ist aktuell ein sehr wichtiges Bindeglied zu vielen Menschen in unserer Gesellschaft; dies erstmal völlig unabhängig von uns – ob wir Partner von ihm sind oder nicht. Wir wollen diese Menschen erreichen, auch um dem 30-Prozent-Ziel näher zu kommen. Daher ist es nur logisch, den LEH in unsere Strategie einzubeziehen. Gefährlich wird es nur, wenn in einer Partnerschaft einer den anderen überfordert und Ungleichgewichte entstehen. Wenn man allerdings kluge Verträge als Basis aufbaut, sich an diese hält und auch hier in ein ehrliches und faires Miteinander kommt, dann passt es. Und so machen wir das.
Die jährliche Mitglieder-versammlung steht an. Warum sollten die Mitglieder hier auf jeden Fall dabei sein?
Es ist unglaublich wichtig, dass sich die Mitglieder abgeholt fühlen. Es ist schließlich ihr Verband. Wir arbeiten für sie. Nur durch direkten menschlichen Kontakt lässt sich hier Vertrauen aufbauen. Das geht nicht digital, wird es auch nie; schon gar nicht, wenn neue Gesichter dabei sind. Und prinzipiell lebt ein Verband ja auch wirklich durch das Miteinander. Wir müssen uns austauschen: Geschichten, Erfahrungen, Ängste. All das sollte einen Platz bekommen. Ebenso ist es sehr wichtig für die Legitimität der Beschlüsse, so viel wie möglich der Mitglieder gehört zu haben.
