Rückwärtsgang in der Agrarpolitik

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von Tamira Zöller
Die neue Bundesregierung hat begonnen, im Agrarbereich den Tierschutz, Verbraucherschutz und Umweltschutz zu schleifen. Die Stoffstrombilanz wird ersatzlos abgeschafft, die Einführung neuer Öko-Regelungen und die Tierhaltungskennzeichnung verschoben. Unionsgeführte Bundesländer fordern zudem die Abschaffung des Naturwiederherstellungsgesetzes; das Bundesumweltministerium setzt sich in Brüssel für eine Verschiebung ein. Die Richtlinie zu Green Claims wird auf Eis gelegt. Und im Hintergrund läuft die Deregulierung der Neuen Gentechniken – sowie die Ankündigung von EU-Kommissar Hansen, die Zulassung für neue Pestizide zu erleichtern.
Deregulierung von Umweltstandards in der GAP
Im Frühling präsentierte Christoph Hansen bereits ein erstes Vereinfachungspaket und plant die Aufweichung von GLÖZ 1 (Erhaltung von Dauergrünland) für alle Betriebe. Demnach sollen künftig zehn statt fünf Prozent Grünland zu Ackerland umgebrochen werden können. Damit könnte in der EU die CO2₂-Menge freigesetzt werden, die Tschechien in einem ganzen Jahr emittiert.
Ein Lichtblick ist, dass Deutschland da nicht mitgeht. Staatssekretär Prof. Dr. Dr. Markus Schick befürchtet bei einem Treffen der Agrarminister in Luxemburg, dass dadurch die Grünlandanteile deutlich reduziert werden. Ferner verweist der deutsche Spitzenbeamte auf die bedeutende Rolle des Grünlands für den Klimaschutz. Ein echter Pluspunkt des Pakets für Bio: Bio-Betriebe sollen bei der GAP-Förderung zur bürokratiearmen Beantragung als “green by definition” zurückkehren.
Schlechter steht es um die nationale Anpassung an der aktuellen GAP. Am 26. Juni hat die schwarz rote Koalition die Einführung der neuen Öko-Regelungen „Weidehaltung in milchviehhaltenden Betrieben“ und „Innerbetriebliche Verteilung von Biodiversitätsflächen“ auf 2027 verschoben.
Die Einführung einer neuen Öko-Regelung zur Förderung von Weidehaltung würde ein wichtiges Signal an Bauern und Bäuerinnen geben, welche Tierhaltung von einer Bundesregierung unterstützt wird.
Düngegesetz
Überdüngung ist ein riesiges Problem für die Wasserversorger und für die Qualität unserer Gewässer. Landwirtschaftsminister Rainer hat mit der Stoffstrombilanz das Monitoring-Instrument der Nährstoffabgaben abgeschafft. Damit wird das Verursacherprinzip ausgehebelt. Die Nitratwerte steigen, die Wasserversorger ächzen – doch die Schwarzen Schafe, die dafür verantwortlich sind, bleiben unentdeckt. Unklar ist, wie die Bundesregierung das Düngegesetz umsetzen will. Erforderlich ist ein System, das gezielt jene Betriebe honoriert, die verantwortungsvoll und mit ausgeglichenen Nährstoffbilanzen wirtschaften – und gleichzeitig die tatsächlichen Verursacher von zu hohen Nährstoffüberschüssen in die Pflicht nimmt.
Tierhaltungskennzeichnung endlich einführen
Am 1. August 2025 sollte die fünfstufige Kennzeichnung in Kraft treten. Das war lange bekannt – und wird jetzt nochmal verschoben. Durch die fünf Stufen sollte ein System entstehen, das Anreize für alle Tierhaltenden schafft, für mehr Tierwohl zu sorgen. Man stelle sich vor: In Stufe 4, die längst nicht alle erreichen, haben die Tiere immer noch 50 Prozent weniger Platz als bei Bio (künftig Stufe 5). Die CDU/CSU will die Kennzeichnung bis zum 1. März 2026 „praxis-tauglich“ überarbeiten. Welche Überarbeitungspläne sie genau haben, ist noch nicht klar. Wichtig bleibt, dass die Standards für die Haltungsbedingungen nicht heruntergesetzt werden.
Bundesländer fordern die Abschaffung der Naturwiederherstellungsverordnung
Der Nature Restoration Law ist bereits seit dem 18. August 2024 in Kraft. Die Mitgliedstaaten haben für ihre Naturwiederherstellungspläne bis August 2026 Zeit. Als geeignete Maßnahme für Agrarflächen nennt die neue Verordnung explizit den Öko-Landbau. CDU-geführte Bundesländer fordern in einem offenen Brief an Agrarkommissar Hansen die Abschaffung des Nature Restoration Law. Das Bundesumweltministerium hat bei der EU-Kommission um eine Verlängerung der Frist zur Einreichung der nationalen Wiederherstellungspläne gebeten.
Die Verordnung schafft einen sinnvollen Rahmen für den Schutz unserer Wirtschafts- und Lebensgrundlagen und lässt den Mitgliedstaaten viel Spielraum bei der Umsetzung. Die Verordnung hat unter anderem das Ziel, die Menge und Vielfalt der Bestäuber zu verbessern. Der Rückgang der Bestäuberpopulationen soll bis 2030 umgekehrt und danach auf ein wissenschaftlich begründetes „zufriedenstellendes Niveau“ gebracht werden. Die Naturwiederherstellungsverordnung zu kippen, würde der Umwelt und am Ende auch der Landwirtschaft schaden, die auf intakte Ökosysteme angewiesen ist – ein unverantwortliches Rollback.
Die EU Green-Claims-Richtlinie wird vorerst nicht kommen, weil die erforderlichen Mehrheiten im EU-Parlament und im EU-Rat fehlen. Die Richtlinie sieht vor, Werbeversprechen zu Umwelt und Klima – etwa „biologisch abbaubar“ und „umweltfreundlich“ – vorab zu prüfen. Das soll entsprechende Behauptungen verlässlicher machen und letztlich Greenwashing verhindern.
Für die Verabschiedung des Gesetzes fehlt eine Mehrheit im europäischen Parlament und Rat. Für Bio ist das eine schlechte Nachricht. Die Abschaffung von Greenwashing würde diejenigen, die nachweislich nachhaltig sind, im Wettbewerb stärken. Bio ist kontrolliert. Das ist aufwendig, aber: Auf diesen Standard können sich Bürgerinnen und Bürger verlassen.
Gentechnik: Trilog schreitet voran, unklar wie sich Deutschland positioniert
Nachdem sich im März eine knappe Mehrheit im Europäischen Rat für die Deregulierung der aktuellen Standards im Umgang mit neuer Gentechnik (NGT) ausgesprochen hatte, startete der Trilog am 6. Mai. Seitdem verhandeln das Europäische Parlament, der Europäische Rat und die EU-Kommission. Ende Juni wurden die Trilog-Gespräche überraschend ausgesetzt. Offenbar konnten die Kommission und der Rat dem Parlament keinen Kompromissvorschlag in Kernfragen anbieten. Das lässt hoffen, denn: Das Parlament fordert eine verpflichtende Kennzeichnung und Koexistenz-Regelungen für den Ökolandbau.
Mitte Juni werden die Pläne für die GAP nach 2027 erwartet
Diesen Sommer wird sich entscheiden, welche Vorhaben Agrarkommissar Hansen umsetzen wird. Bei Redaktionsschluss Ende Juni dieser Ausgabe, sickern die ersten konkreten Hinweise durch, in welche Richtung die GAP sich entwickeln wird. Die anstehenden Vorschläge für den Mehrjährigen Finanzrahmen (MFR) und die GAP nach 2027 lassen eine beunruhigende Tendenz erkennen: Umweltstandards
sollen weiter gelockert, Agrargelder gekürzt und neue Anreize für Umweltleistungen unterlassen werden.
