Klarheit auf den letzten Drücker: die „grüne“ GAP 2023-2027
Dreieinhalb Jahre vom Kommissionsentwurf bis zur Verabschiedung. Keine Reform der Gemeinsamen Agrarpolitik (GAP) hat mehr Zeit benötigt, und mit zwei Jahren Verzögerung trat sie 2023 in Kraft. Was hat sich geändert? Was kommt danach?
Was hat sich geändert?
Die „Grüne Architektur“ der GAP ab 2023 gründet sich auf drei Elemente: die neue Konditionalität, die 1. Säule mit den Direktzahlungen und die 2. Säule mit Agrarumwelt- und Klimamaßnahmen (AUKM) und der Entwicklung des ländlichen Raums. In den nächsten fünf Jahren erhält Deutschland 6 Milliarden Euro jährlich an GAP-Mitteln. Davon entfallen knapp 5 Milliarden auf die Direktzahlungen, ungeachtet der Umschichtung in die 2. Säule, die schrittweise auf 15 Prozent erhöht wird.
Mit den Eco-Schemes (sprich: ecko skiems) wurde ein neues, freiwilliges Instrument geschaffen, um die pauschalen Hektarprämien in der 1. Säule teilweise durch Zahlungen für Leistungen in Umwelt-, Arten- und Klimaschutz zu ersetzen. Bis zu 23 Prozent der Direktzahlungen, etwa eine Milliarde Euro, können ab dem Januar 2023 jährlich über die folgenden zunächst sieben Maßnahmen verausgabt werden.
- 1. Erhöhung des Umfangs an nichtproduktiven Flächen oder Landschaftselementen auf mindestens fünf Prozent der Fläche
- 2. Anbau vielfältiger Kulturen mit mindestens fünf Hauptfruchtarten (davon mindestens zehn Prozent Leguminosen)
- 3. Bewirtschaftung in Form von Agroforstsystemen
- 4. Extensivierung von Dauergrünland
- 5. Grünlandextensivierung, ausgerichtet auf mindestens vier regionale Kennarten
- 6. Bewirtschaftung von Acker- oder Dauerkulturfläche ohne chemisch-synthetische Pestizide
- 7. schonende Bewirtschaftung in Natura-2000-Gebieten
Auch im Koalitionsvertrag der Ampel-Regierung als auch im Abschlussbericht der Zukunftskommission Landwirtschaft (ZKL) von 2021 wird die „schrittweise und vollständige Umwandlung“ der derzeitigen Basisprämien gefordert. Die Einführung dieser, auch Öko-Regelungen genannten, Maßnahmen ist ein erster Schritt hin zum Grundsatz: öffentliches Geld für öffentliche Leistungen und die zukunftsgerechte Transformation der Landwirtschaft.
Diese heißen ab jetzt „Einkommensgrundstützung für Nachhaltigkeit“ und um sie zu erhalten, müssen Betriebe die Auflagen der sogenannten erweiterten Konditionalität erfüllen. Diese umfassen Cross Compliance und Greening-Aspekte und erfordern die Einhaltung der Grundanforderungen an die Betriebsführung (GAB) und des guten ökologischen Zustands der Flächen (GLÖZ).
Von den neun GLÖZ-Standards ist GLÖZ 2 komplett neu, nämlich der Schutz von Feuchtgebieten und Torfflächen, und folgende zwei sind für den Ökolandbau besonders herauszuheben.
GLÖZ 6: Mindestbodenbedeckung
Auf mindestens 80 Prozent der Ackerflächen eines Betriebes ist vom 15.11. bis 15.01. des Folgejahres (erstmalig 2023/24) eine Mindestbodenbedeckung sicherzustellen. Bei frühen Sommerkulturen oder schweren Böden verschiebt sich der Zeitraum. Ausnahmen gibt es nicht.
GLÖZ 8: Ackerstilllegung und Erhalt von Landschaftselementen
Bislang durch das „green by definition“ ausgenommen, müssen nun auch Bio-Betriebe ab 2024 mindestens vier Prozent der Ackerfläche stilllegen. Zwar erhalten sie auf die Pflichtbrache auch Ökoprämie, jedoch mit Abzügen (in welcher Höhe klärt das BMEL derzeit). Die Begrünung ist durch aktive Aussaat möglich, jedoch nicht in Reinsaat. Landschaftselemente können angerechnet werden, wie auch Pufferstreifen an Gewässern, wenn die mindestens 0,1 Hektar groß sind.
Bewertung
Es ist fatal und ein grundsätzlicher Konstruktionsfehler dieser „grünen“ GAP, dass Bio-Betriebe Schwierigkeiten haben, auf dasselbe Prämienniveau wie 2022 zu kommen. Oft können die gekoppelten Tierprämien die Verluste bei Bio-Grünland-Betrieben nicht ausgleichen. Mit den neuen AUKM-Maßnahmen in der 1. Säule kommt dem Ökolandbau nun auch noch das Doppelförderungsverbot in die Quere. Klar kann beispielsweise das Eco-Scheme 6 „Pestizidverzicht“ als einjährige Biodiversitätsmaßnahme nicht mit dem Nutzen einer langfristigen ökologischen Bewirtschaftung
konkurrieren. Dennoch müssen viele Bio-Betriebe akzeptieren, dass es gesetzeswidrig wäre, hier doppelt zu kassieren, da dieser Standard über die Ökoprämie schon gefördert wird.
Für konventionelle Betriebe kann es hingegen ein erster Schritt in Richtung Ökolandbau sein und die Evaluierung wird zeigen, wie viele schließlich auch dabeibleiben.
Der Biokreis hat sich deshalb mit den anderen Anbauverbänden auf Landesebene für höhere Ökoprämien eingesetzt. Mit Ausnahme von Sachsen-Anhalt (Kürzung um jeweils 33 Euro pro Hektar) war dies überall
erfolgreich. Auch dass die Eco-Schemes grundsätzlich mit der Ökoprämie kombinierbar sind, ist ein Lobbyerfolg. Prämienkürzungen wird es bei Eco-Schemes 1, 4 und 6 geben. Die Höhe ist noch unklar.
Fazit
Der aktuell eingeschlagene Weg, bei dem es immer mehr um Sondergebiete, Sonderregelungen
und kurzfristige, kleinteilige Maßnahmen geht, muss in Richtung einer gesamtbetrieblichen, langfristig ausgerichteten Öko-Förderung umgelenkt werden. Bestehende Öko-Betriebe müssen noch besser unterstützt werden, damit der Ausbau gelingt. Fachleute aus Institutionen und Verbänden arbeiten bereits an Vorschlägen für die Reform ab 2028 und an Vereinfachungen für Betriebe und Verwaltung.
Die durch den Krieg in Europa ausgelöste Krise spielt leider gerade der konventionellen Agrarindustrie in die Karten, obwohl diese Landwirtschaft in Deutschland jährlich über 90 Mrd. Euro an Umweltschäden
produziert – das Doppelte dessen, was sie an Wertschöpfung erbringt. Vom Narrativ notwendiger Ertragssteigerungen wegen weltweiter Hungersnöte über Düngemittelsubventionen und Rückzieher bei der Pestizidreduktion bis hin zur Klassifizierung neuer Gentechniken als klassische Züchtung (um die Kennzeichnung zu umgehen) schürt selbst die EU-Kommission die irrationale Angst vor Nahrungsmittelknappheit in Europa.
Dass sich Bio-Lebensmittel in sicheren, deutlich kürzeren Lieferketten bewegen, dass sie unabhängig von energieaufwändigem Kunstdünger sind sowie Wasser, Artenvielfalt, Klima und fruchtbare Böden schützen,
muss jetzt ebenso gebetsmühlenartig wiederholt werden wie die wahren Kosten und die Forderung nach einer Pestizid- und Stickstoffüberschuss-Steuer.