Das Recht der Bio-Lebensmittel

Einkauf auf dem Biokreis-Betrieb Stemmerhof in München; Bild: Tobias Köhler
Neuigkeiten aus dem 26. Frankfurter Tageslehrgang mit Rechts- und Fachanwalt Hanspeter Schmidt und Dr. sc. agr. Manon Haccius.
Was muss bei der Umsetzung der Bio-Verordnung beachtet werden? Die Vortragenden beim 26. Frankfurter Tageslehrgang zum Thema „Das Recht der Bio-Lebensmittel“ hatten sich mit spannenden Themen und Problemen auseinandergesetzt und stellten in Folge interessante Fälle aus der Rechtspraxis sowie Gerichtsentscheidungen dar. Zudem interpretierten sie einige Absätze des Öko-Gesetzes aus der Perspektive der Fachanwaltschaft. Einige Themenbereiche im Detail:
Behörden, Expertengruppen und Arbeitskreise
Die kurze Einleitung in die Struktur der Bio-Fachexpertengruppen rief einige Unsicherheiten und Kritik an den Expert:innen der Mitgliedstaaten hervor, die eine Hauptrolle in der Entwicklung der EU-Öko Verordnung spielen. Die getroffenen Entscheidungen werden zunehmend kritischer wahrgenommen, da die Umsetzung der Vorgaben oft mit dem Begriff „Herausforderung“ gleichgesetzt wird. Es gibt eine Vielzahl von Behörden, Arbeitskreisen und Fachexpertengruppen, die in die Entwicklung der EU-Bio -Verordnung involviert sind. Im ersten Teil erklärte Hanspeter Schmidt, welche Arbeitsgruppen bereits existieren und welche davon eine entscheidende Rolle spielen.
- Die EU-Kommission als Behörde besteht aus 27 Kommissaren aus den EU-Mitgliedstaaten, die ein Kollegium bilden. Jedem Kommissar ist ein Fachbereich zugeordnet. Natürlich wird jede Behörde administrativ und organisatorisch durch Beamte (über 30.000 Mitarbeiter:innen) unterstützt.
- Die DG Agri oder Generaldirektion Landwirtschaft mit 25 Personen (von etwa 1.000 Mitarbeitenden) für den Bereich Organic Unit. Bei Fragen, wie ein Thema im Bio-Recht auszulegen ist, wird Organic Unit angesprochen. Die Komplexität der Bio-Themen benötigt viele Fachexpert:innen.
- Die Beurteilung der Aufträge der Mitgliedsstaaten im Antrag der EU-Kommission übernimmt eine Gruppe ehrenamtlicher Expert:innen, die sogenannte EGTOP. Die Gruppe wertet beispielsweise den Antrag über Zulassungen eines bestimmten Stoffes oder Verarbeitungsverfahren aus. Die Expertengruppe tauscht und berät sich geheim, obwohl der Auftrag öffentlich ist. Als Ergebnis wird nur der Bericht veröffentlicht. Parallel zum geheimen Beratungsprozess ist eine Kommunikationsplattform der EU-Kommission etabliert (The Cevil Dialog Group oder kurz CDG). Hier werden allerdings keine Entscheidungen getroffen. Das Ziel der Plattform ist zu signalisieren, dass Interessengruppen gehört werden.
- Die Abstimmung der Durchführungsverordnungen findet im Committe for organic production (COP) statt. Die Gruppe besteht aus Agrarminister:innen der Mitgliedstaaten.
Zulassung der Kontrollstellen
Ein zentrales Thema ist die Zulassung der konformen Kontrollstellen1 in Drittländern und gleichwertigen2 Drittländern. Darüber berichtete Dr. Manon Haccius. Von bisher 61 zugelassenen Kontrollstellen sind nur 46 als konform anerkannt. Die konforme Zulassung der Kontrollstellen in Drittstaaten ist am 31.12.2024 ausgelaufen. Der Grund dafür ist, dass die EU-Kommission die übermittelten Anträge für die Anerkennung nach der EU-Bio-Verordnung 2018/848 verspätet erhalten hat.
Hier geht es zur konsolidierten Fassung der Durchführungsverordnung (EU) 2021/1378:
https://eur-lex.europa.eu/legal-content/EN/TXT/?uri=CELEX:02021R1378-20241107
Eine vollständige Gleichwertigkeitsliste ist noch ausstehend. Die Frist für die Prüfung der Gleichwertigkeit ist bis zum 31.12.2026 gesetzt. Das heißt, bis dahin dürfen in die EULänder importierte ökologische/biologische Erzeugnisse noch nach Verordnung (EU) 834/2007 erzeugt/verarbeitet werden.
Konsolidierte Fassung der Durchführungsverordnung (EU) 2012/2325:
https://eur-lex.europa.eu/legal-content/EN/TXT/?uri=CELEX:02021R2325-20240104
Ergänzend dazu stellte Hanspeter Schmidt ein Gerichtsurteil von Juli 2024 vor, in dem eine Kontrollstelle in Indien in der falschen Kategorie kontrolliert und die Zertifikate ausgestellt hat. Nachdem durch Kontrollen bestimmte Stoffe in den verarbeiteten Produkten nachgewiesen wurden, stellte sich heraus, dass die Kontrollstelle nur für Primärproduktion anerkannt und zugelassen wurde, obwohl das Land auf der Gleichwertigkeitsliste stand. Die EU-Kommission strich die Kontrollstelle sowie mehrere andere Kontrollbehörden aus der Liste. Interessant ist, dass einige Regionen in Indien als Vorreiter des ökologischen Landbaus galten und diese Situation die Zuverlässigkeit der Bio-Kontrollen in Frage stellte.
Die Vortragenden empfehlen, bei Lieferanten genau zu prüfen, ob die Kontrollstelle, welche die Einhaltung der EU-Bio-Verordnung 2018/848 überprüft, auch tatsächlich zugelassen ist. Alle Lieferanten in der Kette müssen durch zugelassene konforme Bio-Kontrollstellen zertifiziert sein. Zudem ist es wichtig, auf das Gültigkeitsdatum des ausgestellten Zertifikates der Drittlandsunternehmen zu achten, da diese nur noch bis Oktober 2025 gültig sind. Selbst die Kontrollstellen müssen sicherstellen, dass sie nur im anerkannten Geltungsbereich Bio-Kontrollen und Zertifizierungen durchführen.
Zusatz- und Hilfsstoffe in Bio-Produkten
Die zugelassenen Lebensmittelzusatzstoffe und Verarbeitungshilfsstoffe sind in der Durchführungsverordnung 2021/1165 (Anhang V) aufgeführt. Es gibt jedoch einen Verordnungsentwurf, der eine Änderung der Struktur der Anhänge vorsieht, worüber Dr. sc. agr. Manon Haccius kurz berichtete. Die Stoffe sollen in eine einzige Tabelle aufgenommen werden, jedoch mit einer Unterteilung in zwei Spalten: eine für die Verwendung als Zusatzstoff und eine für die Verwendung als Hilfsstoff. Die Systematik und Definition der Zusatz- und Hilfsstoffe ist unterschiedlich. Ein Beispiel sind Pflanzenöle: Pflanzenöl wird in Bio-Produkten oft als Zutat aufgeführt, kann aber auch als Verarbeitungshilfsstoff verwendet werden. Die Vortragende empfiehlt, genau zu prüfen, um welchen Stoff es sich handelt und welchen Einsatzzweck er erfüllt.
Insgesamt war die Veranstaltung äußerst gelungen und bereichernd. Die Vortragenden boten wertvolle Einblicke in aktuelle Herausforderungen und Entwicklungen im Bereich der Bio-Verordnung und ihrer praktischen Umsetzung. Besonders hervorzuheben war die praxisnahe Darstellung von Fallbeispielen sowie die eingehende Diskussion zu relevanten rechtlichen Aspekten. Die Teilnehmenden konnten von fundierten rechtlichen Interpretationen und aktuellen Informationen profitieren, was zu einem regen Austausch und neuen Erkenntnissen führte. Es war eine ausgezeichnete Gelegenheit, sich über die neuesten Entwicklungen im Bio-Recht zu informieren und von Expert:innen aus der Praxis zu lernen.
1 anerkannte Kontrollbehörden und Kontrollstellen in Nicht-EU-Ländern, die Erzeugnisse auf Einhaltung der EU-Bio-Verordnung prüfen. Diese Produkte, falls sie importiert werden, sollten vollständig den Vorgaben der gültigen EU-Bio-Verordnung in der EU entsprechen.
2 in dem Fall spricht man von Anerkennung des Drittlandes im Rahmen einer Handelsvereinbarung für infuhren der ökologischen/biologischen Erzeugnisse in die EU (Art. 47 der EU-Bio-Verordnung 2018/848)