„Wir sollten erkennen, dass Fleisch eine wertvolle Quelle ist!“
Prof. Dr. rer. nat. Monika Gibis forscht und lehrt an der Universität Hohenheim im Fachgebiet Lebensmittelmaterialwissenschaft und beschäftigt sich unter anderem mit Fleischkonsum. Im Interview erklärt sie, wann Fleisch ungesund ist, was Qualität bedeutet und warum alte Schweinerassen ein Comeback erleben.
Frau Prof. Gibis, Fleisch ist aktuell vielfach negativ behaftet: ungesund, klimaschädlich, ethisch bedenklich … Gibt es überhaupt „gutes“ Fleisch?
Den Begriff „gut“ lässt sich unterschiedlich erfassen. Die gesättigten Fettsäuren im Fleisch sind für die Gesundheit sicherlich nicht gut. Für den Konsum von verarbeitetem Fleisch ist ein erhöhtes Risiko, an Krebs zu erkranken, nachgewiesen, vor allem, wenn es geräuchert oder gepökelt ist. Rotes Fleisch wird als wahrscheinlich kanzerogen eingestuft. Dabei spielt es eine Rolle, wie stark es erhitzt ist. Ein Tafelspitz, der bei relativ geringen Temperaturen gegart wurde, ist gesünder als ein Steak vom Grill. Man muss aber klar sagen: Auch Alkohol wird als kanzerogen eingeordnet. Dabei macht jedoch die Dosis das Gift. 300 bis 600 Gramm Fleisch pro Woche haben nämlich eher einen förderlichen Effekt auf die Gesundheit. Vitamine – B1, B12, und B6 –, Eisen, Zink und Selen nehmen wir mit dem Fleisch auf. Dabei ist die Bioverfügbarkeit besser als bei pflanzlichen Produkten. Was die Klimaschädlichkeit angeht, ist die Differenzierung von Tierarten und Fleischsorten entscheidend. Rind ist schädlicher als Schwein oder Geflügel. Andererseits wollen wir die Weideflächen und Kulturlandschaften erhalten, und das Rind liefert uns auch noch Milch. Wichtig wäre daher ein reduzierter Fleischkonsum und dafür der Kauf von qualitativ hochwertigem Fleisch.
Qualität wird ja auch gleichgesetzt mit Geschmack. Wann schmeckt denn Fleisch gut?
Für das, was wir geschmacklich als gut bewerten, ist die Marmorierung von Fleisch sehr wichtig. Das hochpreisige Wagyu-Rind aus Japan etwa ist extrem stark marmoriert und besticht mit hoher Zartheit. Untersuchungen konnten keinen großen Einfluss der Haltungsbedingungen auf den Geschmack belegen. Doch immer mehr Verbraucher:innen wünschen sich biologische oder Weidehaltung. Die Ethik spielt zunehmend eine Rolle. Und mit diesem Wissen im Hinterkopf schmeckt es vielen einfach besser.
Die Ethik spielt auch eine Rolle bei der Vermarktung pflanzlicher Fleischersatz-Produkte. Wird diese Tendenz künftig noch zunehmen?
Vor allem die junge Generation fragt diese Produkte nach, um sich für den Klimaschutz zu engagieren. Daher werden sie auch in Zukunft eine Rolle spielen. Der Einfluss der Politik ist hier sehr stark, so dass es bei manchen zu einer regelrechten Ablehnung von Fleisch kommt. Grundsätzlich sind pflanzliche Proteine aber in der biologischen Wertigkeit schlechter. Ich frage mich, wie es sich auf Dauer auswirkt, wenn Vitamine fehlen und vor allem den Frauen auch Eisen. Wir sollten erkennen, dass Fleisch eine wertvolle Quelle ist und es bewusst essen und genießen. Auch in der älteren Generation ist ein Umdenken nötig – hier zugunsten einer Reduktion des Fleischkonsums.
Wie sehen Sie die Rolle von Insekten als Ersatzprodukte?
In Europa erzeugen Insekten bei vielen Menschen ein Ekelgefühl. Der Grund dafür ist, dass sie früher als Gefahr eingeordnet wurden. Dabei stellen sie eine gute Proteinquelle dar. Ich schätze, dass in Europa kultiviertes Fleisch eine größere Rolle spielen wird als Insekten. Die europäische Verbraucherschaft neigt eher zu dieser Möglichkeit des Ersatzprodukts.
Welchen Stellenwert räumen Sie „echtem“ Fleisch in der Zukunft ein? Wird es Luxusprodukt, verpöntes Lebensmittel oder Massenware?
Es spricht vieles dafür, dass sich die Segmente verschieben werden. Die hochpreisige Schiene wird einerseits an Bedeutung gewinnen. Dry Aged Beef etwa wird weiter bei einer qualitätsbewussten und kaufkräftigen Verbraucherschaft Anklang finden. Es gibt derzeit Anstrengungen, zugunsten einer besseren Qualität auf alte Rassen zurückzugreifen. Bei Schweinen wird in die herkömmlichen Hybridrassen wieder Iberico eingekreuzt. Der Anteil intramuskulären Fetts wird auf diese Weise höher, der Fleischanteil aber insgesamt geringer und somit hochpreisiger. Da anderen Menschen aber weniger Geld zur Verfügung steht, wird auch das Günstig-Preis-Segment steigen.