Voraussetzung für Engagement: Einen Standpunkt haben

Von Ronja Zöls-Biber | Gepostet am 05.08.2024

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Bernhard Probst betreibt einen Biokreis-Hof am Rande von Dresden und zusätzlich zwölf Biomärkte in seiner Region. Warum er bei den Bauernprotesten nicht mitgemacht hat und wie sein Engagement stattdessen aussieht, erklärt er im Interview.

Bist du grundsätzlich politisch, Bernhard?
Ein bisschen – und immer ein bisschen mehr. Es hat mit dem Alter zugenommen.

Politisch sein konnte im Falle der Bauernproteste in diesem Jahr auch heißen, nichts zu tun…
Und diese Option habe ich auch gewählt. Die Art der Bauerndemonstrationen waren nicht mein Stil. Blockierend zu wirken, Menschen, die zur Arbeit fahren, die gerade unser Fleisch ausliefern, daran zu hindern – das halte ich für dämlich. Auch wenn die Anliegen größtenteils legitim waren, wurde das Ganze schnell unsachlich. Dass es Unterwanderungen von Rechts gab, machte es noch schlimmer. In die Nähe von Reichskriegsflaggen will ich mich wirklich nicht begeben.

Welche Art von Statement würdest Du bevorzugen?
Ganz klar die saubere und lösungsorientierte Argumentation. Aber gerade der Bauernverband ist dafür nicht mehr zu gebrauchen. Dessen Daseinsberechtigung halte ich inzwischen für absurd. Sein Klientel sind Großgrundbesitzer und Adlige und nicht die Bauern und Bäuerinnen, die sieben Tage die Woche im Stall stehen und gar keine Zeit haben, um sich im Verband zu engagieren. Letzteres übernehmen diejenigen, die gleichzeitig Millioneneinnahmen als Aufsichtsräte kassieren – unsäglich ist das.

Du bist Mitglied im Praktikerausschuss des Landwirtschaftsministeriums. Wie kannst Du Dich da einbringen?
Indem ich nicht krakeele, sondern mich konstruktiv an einer offenen Gesprächsrunde beteilige. Hier merkt man sehr deutlich: Wenn es unsachlich wird, schreiben die Staatssekretär:innen nicht einmal mehr mit. Zuletzt wurden gute Vorschläge zur Entbürokratisierung erarbeitet, die am Ende auch Gesetz werden könnten. Wer offen ins Gespräch geht, merkt: Auch ein Landwirtschaftsminister ist Zwängen ausgesetzt. Die Frage ist dann auch: Wie kann ich ihm helfen, trotzdem für eine gute Lösung eintreten zu können?

In die Nähe von Reichskriegsflaggen will ich mich nicht begeben!

Viele Bio-Pionier:innen haben das Gefühl, dass das Engagement bei den Jüngeren abnimmt. Entspricht das auch Deiner Wahrnehmung?
Das ist auf jeden Fall so. Früher war es eine Selbstverständlichkeit, dass der Bauer eines Dorfs in verschiedenen Gremien und auf jeden Fall im Gemeinderat vertreten war. Heutzutage ist zwar die Technik
fortgeschritten, aber die Arbeit ist insgesamt trotzdem mehr geworden, weil zu einer Landwirtschaft
beispielsweise mehr Kühe gehören. Eine Folge der Emanzipation ist, dass auch die Männer abends die
Kinder ins Bett bringen und nicht mehr so viel Zeit haben. Viele Frauen wiederum arbeiten außerhalb der
Landwirtschaft, wo sie mehr verdienen. Insgesamt ist so das Zeitbudget knapper geworden. Und wenn man noch hinzurechnet, dass die Deutschen im Schnitt 69 Stunden pro Woche mit Internet- und Smartphone-Nutzung verbringen, wird das noch deutlicher. Nicht zu vergessen: Ehrenamt hat was mit Ehre zu tun. Wenn etwas nicht für einen selbst ist, wird es gleich weniger sexy.

Wie könnte es gelingen, wieder mehr junge Menschen ins Engagement zu bringen?
Ich denke, das ist auch eine Kulturfrage. So lange im Gemeinderat ein guter Stil herrscht, man nach der Sitzung in der Kneipe noch was zusammen trinken geht und die Stimmung gut ist, macht die Arbeit Spaß. Von einigen Bekannten habe ich jedoch gehört, dass mit der AfD das Gepöbel ins Gremium und die Kultur damit abhanden gekommen ist. Außerdem ist die Achtung vor dem Ehrenamt insgesamt verschwunden.

Wie viel Zeit investierst Du in Engagement?
Für den Praktikerrat sind das vielleicht 16 Stunden im Jahr, also nicht allzu viel. Ich will meine Frau auch nicht ständig allein mit den Kindern lassen. Auf den Handzetteln, die wir in unseren Bio-Märkten auslegen, vertrete ich regelmäßig meine Meinung. Sie zu schreiben, macht mir Spaß. Manchmal übertreibe ich, um eine Diskussion anzuschubsen und beispielsweise vegane Illusionen zu entzaubern (lacht). Vielleicht ist das aber überhaupt die Voraussetzung für Engagement: einen Standpunkt zu haben, darüber diskutieren zu können – und am Ende auch mal zu sagen: Wenn er falsch war, ändere ich ihn.

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Ronja Zöls-Biber

Leitung Presse- und Öffentlichkeitsarbeit / Redaktionsleitung BioNachrichten