Paradies in violett
Lavendelanbau ist hierzulande eine Seltenheit. Der Betrieb Tafelmeier setzt auf höchste Qualität und die Stärke der Dauerkultur als Ökosystem.
Es ist schon ein halbes Jahr her, dass wir den Betrieb der Familie Tafelmeier in Adlstraß bei Dorfen (Oberbayern) besucht haben. Schließlich wollten wir uns das einzige Lavendelfeld Süddeutschlands und eines von dreien in ganz Deutschland nicht in voller Blüte entgehen lassen. 3,5 Hektar Fläche füllt die violette Pracht aus und noch weit darüber hinaus die Luft mit einem betörenden Duft, der nicht nur Spaziergänger:innen anlockt, staunen und genießen lässt. Auch Bienen, Hummeln, Schmetterlinge, Eidechsen, Mäuse, Hasen und Fasane finden hier ein Areal, in dem es sich gut leben lässt. Monokultur? Was Skeptische ab und an als Vorwurf anklingen lassen, lässt sich leicht abtun. Dieser blau-lila Fleck zwischen den grünen Maisfeldern, der mit seinen strauchig und holzig strukturierten Pflanzen dem Starkregen trotzt, gut mit Trockenheit und nährstoffarmen Böden zurechtkommt und ökologisch gepflegt und gehegt wird, kann so gut wie jede Kritik widerlegen. „Trotzdem: Manche Konventionelle fühlen sich durch das lila Feld persönlich angegriffen“, bedauert Biokreis-Bauer Matthias Tafelmeier (41).
Lavendel statt Urlaub
Sich selbst etwas Gutes zu tun – dieser Gedanke stand am Anfang des Lavendelanbaus, mit dem der gelernte Garten- und Landschaftsbauer vor fünf Jahren begann. „Vor unserer Haustüre steht seit 24 Jahren ein Lavendelstrauch, der während der Blütezeit mit den vielen Insekten um ihn herum einfach immer eine Augenweide war“, erzählt er. Stets blieb er davor stehen, und schnaufte tief durch. „Ich dachte mir: Wenn wir schon nicht in Urlaub fahren, machen wir es uns zu Hause möglichst schön – und pflanzen noch viel mehr Lavendel.“ Hinzu kam der Wille, eine völlig neue Herangehensweise an Landwirtschaft zu wagen. Den elterlichen 45-Hektar-Betrieb hatte er 2010 auf Bio umgestellt. Das Ziel: Gesunde Bedingungen für Tiere, Pflanzen, Böden und Menschen schaffen. In der Praxis bedeutete dies im Verlauf der Jahre 14 Hektar Wald in einen über Generationen stabilen Mischwald umzuwandeln, von klassischer Bullenmast und Ackerbau auf 3300 Aronia-Sträucher und 45.000 Lavendelpflanzen zu wechseln.
Qualität als Nische
„„Ich habe mir Saatgut besorgt, in Zusammenarbeit mit einer Gärtnerei alle Pflänzchen gezogen und schließlich eingesetzt“, erzählt Matthias Tafelmeier. Bei seinen Pflanzen handelt es sich um die Wildart „lavendula officinalis“, die ein breites Spektrum an Inhaltsstoffen aufweist und in der Blüte mannigfaltige Farbnuancen zeigt. Diese Sorte unterscheide sich von der „lavendula intermedia“, welche in der französischen Provence und in Bulgarien die größten Anbaugebiete findet und einen höheren Öl-Ertrag bringt, welcher vor allem in der Waschmittelindustrie eingesetzt wird. In Deutschland könne man mit Fläche und Masse nicht mithalten, daher sieht Matthias Tafelmeier seine Stärke und Chance in der Qualitätsnische, kombiniert mit Direktvermarktung. Im Bereich der ätherischen Öle werde viel zusammengekauft und gemischt – und die Bedingungen für die Landwirt:innen seien schlecht. Beim Extrahieren der Ernte einer Reihe Lavendel erhalte er von seinem Feld weniger als ein Kilogramm Öl – jedoch in bester Bio-Qualität.
Das Feld bringt Aufmerksamkeit
Matthias Tafelmeier hat sich selbst eine Pflanzmaschine und eine Pflegemaschine gebaut. Ende Juni, kurz vor der Ernte, geht er mit seiner Frau Hildegard (42) durch die Reihen und zieht Beikräuter einzeln per Hand heraus, damit diese nachher nicht im Produkt landen. Mitte Juli werden die Blüten abgemäht, und anschließend findet die Extraktion mit Wasserdampf statt. Dabei entsteht das Lavendel-Hydrolat, welches vielseitig einsetzbar ist – für Lebensmittel, Kosmetik, Salben oder als Duftspray. Oben schwimmt das Öl, welches extra abgeschöpft werden kann. Ein Bestandteil der mobilen Anlage, mit der die Ernte verarbeitet wird, stammt aus 1930. 100 Stunden inklusive Erntezeit wird für die Produktion aufgewendet. “Paradies, das wir gemeinsam schaffen und erleben: Unter diesem Motto hat sich der Verein „Interessengemeinschaft Adlstraß“ gegründet, der auf dem Hof der Tafelmeiers ein Nutzungsrecht hat und einen Vereinsladen betreibt. Hier können die Produkte aus der Landwirtschaft erworben werden – Lavendelhydrolat, Lavendelöl und Aroniasaft. Auch Lavendeleis gibt es hier im Sommer zu kaufen. Außerdem werden auf dem Hof-Führungen und andere Aktivitäten angeboten. „Durch das Lavendelfeld bekommen wir viel Aufmerksamkeit für das, was wir tun“, sagt Hildegard Tafelmeier, die sich auch um die Vermarktung der Produkte kümmert.
„Es braucht Gefühl für den Lavendel”
Andere Landwirt:innen, die den Hof besuchten, zeigten Interesse daran, ebenfalls in den Lavendelanbau einzusteigen. Bereitwillig gab Matthias Tafelmeier Auskunft, kennt aber niemanden, der bisher erfolgreich war. „Es kann schon auch einiges schiefgehen“, sagt er, „falsche Bodenbearbeitung, Staunässe, konkurrenzstarkes Unkraut – das seien Risikofaktoren beim Anbau. „Es braucht ein gärtnerisches Auge und das Gefühl für den Lavendel“, mahnt er. Ohne Handarbeit gehe es nicht. Wurzelunkräuter, Disteln, Winden und Kletten müssten ausgerissen werden – sonst sterbe der Lavendel ab. In der konventionellen Landwirtschaft werden hierfür Spritzmittel eingesetzt, „aber nach dem Einsatz von Pestiziden würde ich mir persönlich kein Hydrolat oder Öl mehr auf die Haut sprühen“. Das muss er auch nicht, denn sein eigenes Lavendelöl hat er immer in der Hosentasche und behandelt sich damit auch bei kleinen Wunden oder Insektenstichen. Die heilenden Eigenschaften des Lavendels seien seit Jahrtausenden überliefert. Und Hildegard Tafelmeier fügt eine weitere Besonderheit hinzu: „Wo Lavendel ist, sind Menschen einfach beruhigt.“