Kugel statt Kiste

Von Ronja Zöls-Biber | Gepostet am 30.09.2024

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Mit seiner „Bienenkugel“ hat Andreas Heidinger eine runde Behausung entwickelt – und will damit die Honigbiene als Schlüsseltier für die Artenvielfalt in die Landwirtschaft integrieren.

Heute, nach einem Vormittag mit Starkregenfällen, kommt langsam die Sonne hinter den Wolken hervor. Und mit ihr trauen sich auch die Bienen wieder ins Freie. Die einen verlassen emsig die Pforte, die anderen eilen nach getaner Arbeit mit ihren blütengelben Pollen-Höschen wieder zurück zum Flugloch. Seit drei Wochen erst hat dieser Schwarm hier in Andreas Heidingers Garten in Dachau, nordwestlich von München, die Bienenkugel bezogen. Seither haben die Bienen die runden Rähmchen ausgebaut, Wachs hergestellt und bereits fünf bis 10 Kilogramm Honig eingelagert. „Eigentlich sagt man, dass ein Schwarm im gleichen Jahr gar nichts mehr einbringt“, erklärt Imker Andreas Heidinger nicht ohne Stolz. Dass es seinen Bienen so gut geht, liege in erster Linie an ihrer besonderen Behausung, die der ausgebildete Modellbauer 2012 entwickelt und in der Folge weiter optimiert hat. Diese mache die Imkerei sowohl für die Bienen als auch für die Menschen einfacher und angenehmer.

An den herkömmlichen Magazinbeuten waren Andreas Heidinger vor allem die Ecken ein Dorn im Auge. Dass es mit diesen gewisse Probleme gebe, sei in der Imkerschaft allgemein bekannt. Denn hier bauen die Bienen sehr ungern ihre Waben. Wegen Schimmel müssten die eckigen Rähmchen etwa alle zehn Jahre ausgetauscht werden. In den Ecken befinden sich Kältebrücken, und dort ist auch die Luftfeuchtigkeit am höchsten. Obwohl Bienen Wasser benötigen, entstehe bei Abkühlung der Bienenstockluft Kondenswasser. Durch die eckige Form sei auch die Temperaturregulierung problematisch, denn dort entweiche die Wärme am meisten. Eine Studie der landwirtschaftlichen Hochschule Triesdorf bestätigt dies: In der Bienenkugel muss ein Volk um 50 Prozent weniger durch energetisch intensiven Flügelschlag heizen als in er üblichen Magazinbeute. Der Futterverbrauch wird so das ganze Jahr über enorm reduziert.
Man spart sich Arbeitszeit und Kosten für Futter, also für den Zucker.

Honigerzeugung als Zusatz-Standbein

„Rund zehn bis 30 Prozent der Bienen sterben jährlich“, gibt Andreas Heidinger zu bedenken. „Bei vielen Krankheiten sind fehlende Wärme und eine zu hohe Luftfeuchtigkeit im Bienenhabitat die eigentliche Ursache.“ Daher sei seine Vision, in den kommenden 20 Jahren möglichst viele der 300 Millionen Bienenvölker weltweit in der Kugel statt in der Kiste anzusiedeln. Diese einfache Art der Bienenhaltung mache auch die Integration in die Landwirtschaft möglich, „so wie es früher einmal war“. Am Hof gehalten, sei die Honigbiene das Schlüsseltier für die Artenvielfalt, denn Kulturarten und Blütezeiten würden mit Rücksicht auf die Biene – und letztlich auch auf andere Arten – gewählt werden. Klee als Futteralternative habe etwa eine lange Blütezeit, Linden, Akazien und Maroni auf Agroforstflächen kämen den Bienen und der Biodiversität insgesamt zugute. So sei auch der Weg zur Umstellung von Konventionell auf Bio nicht mehr weit. Und der Honigertrag diene als zusätzliches Standbein. Mehr Honig, weniger Zucker: Dieses Prinzip gehört für Andreas Heidinger und seine Frau Gertraud, Ernährungsberaterin, Kräuterpädagogin und Imkerin, zu einem Gesamtkonzept. Um dieses Ziel einerseits für die menschliche Ernährung erreichbar zu machen, sei die Honigbienenvölkerdichte zu erhöhen. Zwei bis vier Völker befinden sich durchschnittlich auf einem Quadratkilometer, im Mittelalter waren es beispielsweise im Raum Nürnberg 74 Völker pro Quadratkilometer. Nur 1,2 Kilogramm Honig, davon 0,7 Kilogramm importiert, werden pro Kopf konsumiert; dem stehen 30 bis 50 Kilogramm Zucker gegenüber. Mehr Honig, kein Zucker: Das gilt auch für die Art des Imkerns, die die Heidingers im eigenen Garten und auf einer ausgedehnten Streuobstwiese im Dachauer Hinterland betreiben. Denn ohne Zufüttern von Zuckerwasser entnehmen sie lediglich den Honigüberschuss, den die Bienen selbst nicht für die Versorgung im Winter benötigen. Trotzdem sei mit der Bienenkugel auch eine Orientierung auf mehr Honigertrag möglich. „Sogar höhere Erträge als mit der üblichen Beute sind möglich“, sagt Andreas Heidinger.

Eine runde Behausung für die Bienen. Bild: Ronja Zöls-Biber
Die Bienenkugel kann mit einem Bausatz selbst gebaut werden. Bild: Ronja Zöls-Biber

Wärme und Schutz durch “Klima-Flugloch”

70 Liter Volumen, 20 Rähmchen, die auch gedrahtet werden können, um die Stabilität der Wabe beim Schleudern zu erhöhen, Nadelholz als hauptsächlicher Baustoff, eine gute Belüftung und ein „Klima-Flugloch“ zeichnen die Bienenkugel heute aus. Diese „Haustür“ ist der eines Iglus nachempfunden, bei dem man von außen unter die Erde steigt und innen wieder nach oben. So wird im Inneren die Wärme erhalten. In die Bienenkugel führt eine kleine Treppe nach oben, die innen abknickt und gerade in die Kugel führt. Da die kalte Luft schwerer ist und nicht nach oben steigt, bleibt es innen warm. Die Scheibe des Fluglochs ist drehbar und hilft im Herbst durch bessere Verschließbarkeit, sich vor Wespen und im Winter vor Mäusen zu schützen, denen sowohl Bienen als auch Honig schmecken.

Seit der Installation des Klimafluglochs bauen die Bienen in Andreas Heidingers Bienenkugeln weniger Drohnenbrut. Auch die naturnahe runde Form und die damit verbundene bessere Wärmeregulierung tragen zu diesem Effekt bei und entschärfen damit gleichzeitig den Varroadruck. Andreas Heidinger rät außerdem dazu, die Völker entgegen der üblichen Vorgehensweise dezentral aufzustellen, das intensiviere auch die Bestäubung von Obstblüten. So werden Krankheiten weniger stark verbreitet als bei Platzierung aller Beuten direkt nebeneinander und aufeinander. Davon profitiere am Ende auch der Imker und die Imkerin. „Das ständige Türmchenbauen und Bücken geht ins Kreuz – vor allem bei Frauen“, erklärt Andreas Heidinger. „Viele Imkerinnen hören wegen Rückenproblemen schnell wieder mit der Bienenhaltung auf.“ So nütze seine Bienenkugel also nicht nur den Tieren, sondern auch den Menschen, die sich um sie kümmern.

Mehr Infos zur Bienenkugel:
www.bienenkugel.de | Die Bienenkugel kann mit einem Bausatz selbst gebaut werden. Andreas Heidinger gibt dazu auch Kurse.

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Ronja Zöls-Biber

Leitung Presse- und Öffentlichkeitsarbeit / Redaktionsleitung BioNachrichten