Gut vernetzt ist halb gewonnen

Rinder in der Versteigerungshalle

Auf landwirtschaftlichen Auktionen geht´s nicht nur ums Geschäft, sondern auch um Austausch. Wer hier zu welchen Themen im Dialog ist, hat sich Annette Schmelzer angesehen.
Vernetzung und Digitalisierung sind aus der heutigen Landwirtschaft nicht mehr wegzudenken. Intelligente Maschinen, Datenmanagement und Prozessoptimierung haben schon lange Einzug gehalten. Wer sich nicht permanent auf dem Laufenden hält, hat langfristig das Nachsehen. Für die eigene Fortbildung fehlt jedoch oft die Zeit oder nach einem langen Arbeitstag der nötige Antrieb, sich mit Fachliteratur oder Webinaren auseinanderzusetzen. Die Vor- und Nachteile der digitalen, globalen Vernetzung zeigen sich jeden Tag aufs Neue. Doch neben Internet of Things (IoT), künstlicher Intelligenz (KI) und Robotik muss es immer noch den persönlichen Datenaustausch geben, denn selbst ein hochentwickelter Roboter wird ein menschliches face-to-face-Gespräch niemals ersetzen können.
Um der „persönlichen Vernetzung“ proaktiv auf den Grund zu gehen, haben wir eine Absetzer-Auktion in Meschede besucht und einigen Züchter:innen, Landwirt:innen und Interessenten zum Thema Vernetzung gelauscht.
Gemeinsam klagen über die Bürokratie
Hubert Förster, der einen Limousin-Zucht-und-Mastbetrieb in Brakel geführt hat, ist mit seinem ehemaligen Schulfreund Willi Heising schon früh angereist. Die beiden kennen sich schon seit über 60 Jahren aus der Schulzeit und haben bereits viel miteinander erlebt. Schon die zweistündige Anfahrt wurde intensiv genutzt, um sich über aktuelle Themen und persönliche Befindlichkeiten auszutauschen. Willi Heising führte einen großen Milchviehbetrieb und hat sein Unternehmen, genau wie Hubert Förster, bereits an die nächste Generation weitergegeben. „Der heutige Tag wird als Bildungstag genutzt“, so Förster mit einem verschmitzten Lächeln. Beide Betriebe verfügen über große Flächen an Acker- und Grünland, welche für die Produktion von Mais und Getreide für die eigenen Tiere genutzt werden. Worüber man spricht: aktuelle Blauzungenkrankheit, steigende Fleischpreise, Rindergallensteine und Förderprogramme. Der Betrieb Heising nutze letztere bereits seit 1982, als er das Förderungsprogramm NRW Landesentwicklungsgesellschaft (LEG) zur Errichtung eines Boxenlaufstalles beantragte. Förster hingegen berichtet über das sogenannte Festmistprogramm, welches er für die Umstellung auf Stroh mit einem großen Platzangebot für seine Tiere nutzen konnte. Leider hinderten ihn neue Auflagen bezüglich der Lichtflächen an einer weiteren Inanspruchnahme des Programmes. „Da wäre der bürokratische und materielle Aufwand höher als der Nutzen gewesen“, so Förster. Diese und ähnliche Aussagen hören wir an diesem Nachmittag öfter. Wo früher ein Antrag nur fünf Seiten hatte, seien es heute um ein Vielfaches mehr. Das halte so manchen Antragsteller davon ab, angebotene Förderprogramme zu nutzen. Ein Züchter aus dem Paderborner Land tauscht sich ebenfalls mit anderen Züchtenden über seine Erfahrungen zum Thema Blauzungenkrankheit aus. Er selbst züchtet Texel-, Berg- und Kamerunschafe und hat bereits mehrere Totgeburten zu verzeichnen. „Jedes Mal ein Jammer, das mit anzusehen!“, so der Landwirt.


Wolf als zentrales Thema
Norbert Kersting, landwirtschaftlicher Sachverständiger ist sehr gut vernetzt. Als Geschäftsführer der Bullenhalle vermietet er die Immobilie an Zuchtverbände und andere Organisationen. Auch er weiß, dass Blauzungenerkrankungen ebenso wie die ständig steigende Bürokratie hier und andernorts in aller Munde seien. „Auch der Wolf ist derzeit wieder ein Riesenthema und löst viel Frust bei den Landwirt:innen aus.“ Besonders die Mutterkuhhaltenden und Schafzüchter:innen seien stark betroffen, da es durch die vorgeschlagenen Maßnahmen kaum möglich sei, die Wölfe von ihren Raubzügen abzuhalten. Andere Berufskolleg:innen geben ihm recht. Biokreis-Mitglied Andreas Lückel aus Bad Berleburg sieht ebenfalls die ständig wachsende Bürokratie als Problem und tauscht sich dazu mit Kolleg:innen aus. „Während andere am Wochenwegs sind, sitzen wir Landwirt:innen im Büro“, fasst er das Dilemma für alle zusammen. Auch die Wolfs-Problematik wird im Gespräch aufgegriffen. Jetzt, wo die Weidezeit beginnt, hat sie viel Brisanz.
Vernetzen für Sammelbestellungen
Im Sauerland gut vernetzt ist Peter Allebrodt, Limousinzüchter aus Lennestadt im Kreis Olpe. Er tauscht sich auch über die sauerländischen Grenzen hinaus viel aus. In seiner landwirtschaftlichen Community ist er im ständigen Dialog über Fleisch-, Diesel-und Pachtpreise. Auch er musste bei seinen Rassetieren, trotz Impfung, bereits das vorzeitige Ende der Trächtigkeit hinnehmen und sucht nach Antworten. Weiterhin nutzt er hier vor Ort die Möglichkeiten des Vernetzens für Sammelbestellungen landwirtschaftlicher Produkte wie Samen, Wickelfolien und Netze für Rundballen. Biokreis-Mitglied Heinrich König, Hobbylandwirt aus Menden, züchtet Exoten wie Taurus und Aubrac-Kreuzungen für die Landschaftspflege und berichtet anderen Auktionsgästen, dass seine Tiere das ganze Jahr über im Freien seien und daher über ein stabiles Immunsystem verfügen.
Nach der Auktion kommt wieder der Stammtisch
Besonders gut vernetzt ist Josef Heer. Der waschechte Sauerländer aus dem Kirchveischeder Land ist hier und darüber hinaus bestens bekannt. Durch seine Tätigkeiten in verschiedenen örtlichen Vereinen und seinen legendären Hoffesten ist er über aktuelle Themen stets gut informiert. Der gelernte Land- und Forstwirt züchtete über 40 Jahre Rasserinder und ist heute lediglich als Interessent vor Ort. Vermutlich erinnert er sich an die alten Zeiten, denn er war es, der 1978 zusammen mit einem „LWK-Kollegen“ die Auktionen in Meschede ins Leben gerufen hat. Hier trifft er sich mit seinen „Mitstreitern“ zum regelmäßigen Austausch über aktuelle Themen. Dabei geht es hauptsächlich um landwirtschaftliche Schäden, die durch Wölfe und Wildschweine verursacht werden. „Früher, als man noch kleinbäuerlich strukturiert war, hat man sich gegenseitig geholfen und unterstützt, etwa bei der Waldarbeit oder der Ernte. Aber heute sind die kleinen Höfe alle weg, und deshalb treffen wir uns jeden zweiten Freitag zum Stammtisch“, so Heer. Und wenn der heutige Auktionstag vorüber ist, wird sicherlich beim nächsten Stammtisch weitergeredet …
Die Autorin Annette Schmelzer ist Leiterin der Geschäftsstelle
des Biokreis Erzeugerring NRW und Niedersachsen.