Wildbiene versus Honigbiene?
Die Diskussion um diese Frage nimmt leider nicht nur in den Medien wieder an Fahrt auf. Ein flächiges Verbot der Bienenhaltung in der Nähe von Naturschutzgebieten steht zur Debatte. Von Dominic Wimschneider.
In Deutschland existieren mehr als 560 Wildbienenarten, die ganz verschiedene Lebensweisen haben. Knapp 50 Prozent sind als bestandsgefährdet eingestuft. Der Großteil von ihnen, circa 51 Prozent, bewohnt offene Bodenflächen in selbst gegrabenen Nestern. Diese befinden sich damit auch nicht in den üblichen Nisthilfen, die man im Handel findet. Weitere 21 Prozent sind als „Schmarotzer“ unterwegs und machen damit anderen Wildbienenarten auf ihre Art Konkurrenz. 14 Prozent nutzen Hohlräume in Holz, Pflanzenstängeln oder Spalten in Felsen, Mauern und ähnliches. Diese können wir auch in den aufgestellten Nisthilfen beobachten. 5 Prozent nutzen alte Pflanzenstängel, um dort einen Gang ins Mark zu nagen.
Von allen Arten sind 35 Prozent oligolektisch, also Nahrungsspezialisten, die nur Pollen von einer Pflanzenart oder Familie nutzen, um ihre Brutzellen anzulegen. Diese sind besonders vom Artenschwund betroffen. Die restlichen 65 Prozent haben Die Diskussion um diese Frage nimmt leider nicht nur in den Medien wieder an Fahrt auf. Ein flächiges Verbot der Bienenhaltung in der Nähe von Naturschutzgebieten steht zur Debatte.
Europa: Wild- und Honigbienen passten sich aneinander an
Es gibt mittlerweile einige Studien aus verschiedenen Ländern, die entweder eine Konkurrenz belegen oder auch widerlegen. Warum? Einerseits herrschen neben verschiedenen klimatischen Bedingungen und Vorkommen von Wildbienen und Pflanzen auch unterschiedliche Grundbedingungen vor, die die Vergleichbarkeit zwischen den Studien zusätzlich erschweren. In Europa konnten sich Wildbienen und Honigbienen über Jahrtausende nebeneinander entwickeln und sich dadurch auch aufeinander anpassen. In anderen Regionen der Welt war die Honigbiene nicht heimisch, wurde also erst durch den Menschen eingeführt. Dort fand keine Evolution mit den Honigbienen statt. Dies wird leider bei einigen Vergleichen außer Acht gelassen.
Die Frage ist außerdem: Was wird als Konkurrenz gewertet? Zählt als Konkurrenz, wenn eine (Wild-)Biene von einer Blüte auffliegt, weil sich eine andere Biene auf dieser niederlässt? Oder zählt es erst als Konkurrenz, wenn durch diese Verdrängung die Reproduktion beeinträchtigt wird, weil dadurch zu wenig Nahrung zur Verfügung steht? Auch hier wird unterschiedlich bewertet. Diese Daten sind zudem aufgrund einer starken jährlichen Schwankung der Populationen schwer zu erheben. Und: Auch unter den Wildbienen kommt es zu „Konkurrenz“.
Hobby-Imkerei entschärft Konkurrenzsituation
In Deutschland dominiert als Struktur die Hobbyimkerei. Im Schnitt werden nur knapp unter sieben Völker pro Imkerei gehalten. Imkereien mit mehreren 10.000 bis 100.000 Völkern findet man bei uns nicht. Mit knapp einer Million Bienenvölkern existieren gerade mal nur noch halb so viele wie 1960. Das heißt: Bei guter imkerlicher Praxis in Deutschland ist eine ernste Konkurrenzsituation außerhalb von fragilen Naturräumen schwer zu erreichen beziehungsweise fast schon unmöglich.
Werden Standplätze mit dem Verweis auf eine Konkurrenz zu Wildbienen gekündigt, empfiehlt sich, in den sachlichen Dialog zu gehen: Der Berufsimkerbund hat eine Argumentationshilfe veröffentlicht, die einige Anhaltspunkte liefert. Auf diese Veröffentlichung hin erschien ein Leserbrief („Kritik an Imkern: Experte hält Honigbienenverbotszone für gerechtfertigt“ von Agraringenieur Dr. Schmid-Egger) in der Zeitung topagrar, der als Argumentation für ein Verbot der Honigbiene in Naturschutzgebieten und Pufferzonen sehr stark verbreitet wurde.
Im ersten Teil führt er auf, dass die meist „schwächeren“ einzelnen Wildbienen keine Chance gegenüber den „stärkeren“ zahlenmäßig überlegenen Honigbienen hätten. Gegenargumentation: Zum einen sind viele Blüten für die blütenstetige Honigbiene gar nicht interessant. Zum anderen verteilt sich die Sammelleistung eines Volkes auf einen Radius von bis zu zehn Kilometern, wohingegen die Wildbienen nur im Umkreis von circa 100 Metern auf Pollensuche sind. Wildbienen legen nur Brutzellen an, wenn sie diese auch mit ausreichend Pollen versorgen können. Verblüht zum Beispiel die Zielpflanze, werden keine neuen Brutzellen mehr angelegt. Der Einwand „Ihre Larven verhungern und die Population wird damit erlöschen“ ist damit nicht begründbar.
Synergieeffekte durch Wildbiene und Honigbiene
Im Anschluss wird mit vier Argumenten gegen die „fachlich einfach falsch[en]“ Argumente der Imkerverbände eingegangen. Der Leserbrief-Verfasser bringt ein, dass die Bestäuberleistung der Honigbiene überschätzt ist und die Obstbauernschaft bereits mit der Nutzung von Wildbienen statt Honigbienen darauf reagierten. Diese Argumentation ist falsch: Im Obst- und Gartenbau werden mittlerweile vermehrt Wildbienen inklusive Hummeln genutzt. Das hat aber den Hintergrund, dass die Honigbiene eine „Schönwetter-Arbeiterin“ ist und im Zuge des Klimawandels die Blühzeiten der Obstbäume immer früher eintreten und auch vermehrt Kälteeinbrüche und Spätfröste auftreten. Man nutzt nun aus, dass manche Wildbienen bereits bei wenigen Graden fliegen und bestäuben können. An die Bestäubungsleistung der Honigbiene kommen diese allerdings bei schönem Wetter nicht heran. Mit den Wildbienen sind aber Ertragssicherung und mehr Resilienz erreichbar. Dr. Stefan Berg, Leiter des bayerischen Bieneninstituts der LWG, berichtete kürzlich über eine Studie, dass durch das Vorhandensein von Wildbienen und Honigbienen ein Synergieeffekt auftritt und mehr Blüten bestäubt werden.
Die Behauptung, die Honigbiene sei nicht gefährdet, ist im Hinblick auf die Varroamilbe auch nicht aufrechtzuerhalten. Die imkerliche Pflege ist angesichts dieser notwendig, da sonst ein großer Teil der Völker den Winter nicht überstehen kann. Zudem wirkt sich die verringerte Vielfalt des sammelbaren Pollens auch auf die Vitalität der Honigbienen aus.
Gleichgewicht in Naturschutzgebieten erhalten
Zur dritten Behauptung, dass die Bienen für eine Bestäubung in Naturschutzgebieten nicht nötig sind und dort auch nichts zu suchen haben: Wie bereits erwähnt, entwickelten sich Wildbiene und Honigbiene nebeneinander, und auch in den Naturschutzgebieten hat sich ein Gleichgewicht gebildet. Entfernt man jetzt die Bienenvölker (wild-lebende Honigbienenvölker könnte man gar nicht aussiedeln), zerstört man dieses Gleichgewicht.
Viertens wird behauptet, die „modernen hochgezüchtete[n] Nutzbienen“ seien kein Bestandteil der heimischen Fauna. Hierzu kann die Arbeit von Dr. Ralph Büchler hinzugezogen werden. Als Schwierigkeit für das Erlangen einer varroatoleranten Biene nennt er den Umstand, dass nur wenige Königinnen züchterisch bearbeitet sind. 80 Prozent der Königinnen paaren sich unkontrolliert, und nur wenige Prozent werden in der Reinzüchtung streng auf die gesuchten Werte selektiert.
Fazit: Ein Miteinander für alle Bienen – egal ob Wild- oder Honigbiene – ist die beste Voraussetzung, um die tatsächlichen Ursachen für den Biodiversitätsrückgang in Angriff nehmen zu können.
Dominic Wimschneider, Biokreis-Imker
Der Autor engagiert sich in Bayern als Fachwirt und Bienensachverständiger.