Schlachtung im Herkunftsbetrieb
Wie Schlachtbetriebe darüber denken und welche Chancen daraus für Landwirt:innen entstehen.
Das Thema geschlossener Wertschöpfungsketten bei Öko-Nutztieren gewinnt in den vergangenen Jahren in Gesellschaft und Politik zunehmend an Brisanz. Gerade die Kälber aus der Bio-Milcherzeugung sollten als qualitativ hochwertiges Bio-Fleisch auch in der Öko-Wertschöpfungskette verbleiben und angemessen vermarktet werden. Es ist seit Langem bekannt, dass Stress die Fleischqualität negativ beeinflusst.
Während des Transports und im Schlachthof selbst können Rinder hohen Belastungen ausgesetzt sein. Die Stresshormone Adrenalin, Noradrenalin und Cortisol werden freigesetzt, wodurch die Glykogenreserven in den Muskeln aufgebraucht werden. Die Milchsäurebildung nach der Schlachtung ist dadurch stark vermindert, und das Fleisch erreicht nicht den für einen optimalen Reifungsprozess notwendigen pH-Wert. Die Bemühungen von Öko-Landwirt:innen, über Wochen und Monate eine gute Fleischqualität zu erzeugen, können somit innerhalb von Stunden zunichtegemacht werden.
Aktuelle Rechtslage
Seit September 2021 wird die „Schlachtung im Herkunftsbetrieb“ in Anhang III Kapitel VIa der VO (EG) Nr. 853/2004 gemeinschaftsrechtlich geregelt. Die dadurch überlagerten nationalen lebensmittelrechtlichen Bestimmungen wurden abgelöst. Tierschutzrechtliche Bestimmungen bleiben unberührt. Seither dürfen bis zu drei Hausrinder unter Beachtung bestimmter Anforderungen und nach behördlicher Genehmigung beim selben Schlachtvorgang im Herkunftsbetrieb geschlachtet werden. Unter anderem wird für das Entbluten und die hygienische Beförderung zum Schlachtbetrieb eine sogenannte mobile Einheit (ME) gefordert. Das Entbluten kann außerhalb der ME selbst unter freiem Himmel erlaubt werden, wenn das Blut nicht für den menschlichen Verzehr vorgesehen ist. Gewerbsmäßiges Schlachten ist nur Personen erlaubt, die über einen gültigen Sachkundenachweis gemäß Artikel 21 der VO (EG) Nr. 1099/2009 verfügen.
Doch wie sieht die Situation aus Sicht der Schlachtbetriebe aus? Um diese Frage zu beantworten, beteiligten sich 28 Betreiber:innen von Schlachtstätten mit einer Zulassung für das Schlachten von Rindern im Regierungsbezirk Schwaben (Bayern) an unserer Umfrage. Erfragt wurden ihre Einstellungen zur Durchführung von Schlachtungen im Herkunftsbetrieb und zu deren Umsetzbarkeit.
Einstellung der Schlachtbetriebe zur Schlachtung im Herkunftsbetrieb
Fast 70 Prozent der teilnehmenden Schlachtbetriebe stehen der Schlachtung von Rindern im Herkunftsbetrieb durch ihre eigenen Mitarbeitenden aufgeschlossen gegenüber. Nur knapp 30 Prozent lehnen die Schlachtung im Herkunftsbetrieb ab (s. Grafik 1). Werden die Rinder im Herkunftsbetrieb von sachkundigen Dritten, also Personen, die nicht zum Schlachtbetrieb gehören, geschlachtet und anschließend zum Schlachtbetrieb geliefert, befürwortet immer noch die Hälfte der Befragten die Fortführung des Schlachtprozesses in ihren Schlachtstätten. Nur 15 Prozent der Umfrageteilnehmer:innen lehnen dieses Vorgehen ab.
Umsetzbarkeit für Schlachtbetriebe
Derzeit halten es 35 Prozent der Teilnehmer:innen für machbar, die Schlachtung von Rindern im Herkunftsbetrieb als Dienstleistung anzubieten. Sie sehen dafür in Summe eine wöchentliche Schlachtkapazität von 52 Rindern als gegeben. Darunter fallen mit einer möglichen Schlachtkapazität von 35 Rindern pro Woche Betriebe, die bisher keine Schlachtungen im Herkunftsbetrieb durchführen. Auf ein Jahr hochgerechnet sind das 2.704 Rinder, wobei eine jährliche Lohnschlachtkapazität von 1.820 Rinder bisher ungenutzt bleibt. Die Hauptursachen für das ungenutzte Potenzial zur Lohnschlachtung im Herkunftsbetrieb sind nach Angaben von zwei Dritteln der Schlachthofbetreibenden der aufwändige Genehmigungsprozess und der Mangel an Arbeitskräften.
Chancen für Landwirt:innen
Genehmigungsprozess
Um eine gewerbliche Schlachtung im Herkunftsbetrieb durchführen zu können, ist eine Genehmigung erforderlich. Verschiedene staatliche und private Stellen haben Leitfäden und Merkblätter zum Genehmigungsverfahren veröffentlicht. Die Verwendung der in den jeweiligen Bundesländern zur Verfügung gestellten Leitfäden und Merkblätter erleichtert die Einreichung der Antragsunterlagen bei den zuständigen Veterinärbehörden. Eine wichtige Voraussetzung für diese Genehmigung ist eine schriftliche Vereinbarung zwischen Herkunftsbetrieb und Schlachtbetrieb. Häufig sind die notwendigen Formulare auf den Internetseiten der jeweiligen Veterinärämter eingestellt und liegen den meisten Leitfäden bei. Oft findet man dort auch Hinweise zu möglichen Investitionsförderungen.
Um ein „gutes Stück Fleisch“ in höchster Qualität zu erzeugen, lohnt es sich, den Lebendtiertransport zu vermeiden und mit einem verarbeitenden Betrieb zu kooperieren.
Arbeitskräftemangel
Alle dazu befragten Schlachtbetriebe sind überzeugt, dass die Schlachtschritte im Herkunftsbetrieb von sachkundigen Personen durchgeführt werden können, die nicht den Schlachtbetrieben angehören. Dieser Ansatz wirkt dem Fachkräftemangel entgegen. Nach Teilnahme an einer entsprechenden mehrtägigen Schulung und bestandener theoretischer und praktischer Prüfung kann der Sachkundenachweis zum Schlachten von Rindern erteilt werden. Dabei ist im Vorfeld darauf zu achten, dass Schulung und Prüfungen die im Zusammenhang mit der Schlachtung geplanten Tätigkeiten (etwa das Betäuben und Entbluten von Rindern nach Bolzenschussbetäubung) umfassen.
Beispielsweise bietet das Beratungs- und Schulungsinstitut Schwarzenbek (bsi Schwarzenbek) behördlich anerkannte Sachkundelehrgänge in ganz Deutschland an. Bei einer Schulung durch andere Anbieter ist die Klärung einer Anerkennung beim zuständigen Veterinäramt unbedingt empfehlenswert. Ein Jagdschein wird nicht als gleichwertige Qualifikation zum Sachkundenachweis anerkannt. Mit gültigem Sachkundenachweis sind Landwirt:innen befugt, alle geschulten und geprüften Tätigkeiten im Zusammenhang mit der Schlachtung auszuführen.
Um ein „gutes Stück Fleisch“ in höchster Qualität zu erzeugen, lohnt es sich, den Lebendtiertransport zu vermeiden und mit einem verarbeitenden Betrieb zu kooperieren. Aus unserer Sicht zahlen sich der Erwerb des Sachkundenachweises und der bürokratische Mehraufwand aus. So wird im Sinne der geschlossenen Bio-Wertschöpfungskette gehandelt. Die Bio-Rinder werden in ihrer gesamten Lebensphase – von der Zucht über die Haltung bis zum Schlachten – tierwohlorientiert und verantwortungsbewusst begleitet.
Links
Delegierte Verordnung – 2021/1374 – EN – EUR-Lex (europa.eu)