Naturschutz mit “Wilden Weiden”
Wie in der Landwirtschaft mit Naturschutz ein Betriebseinkommen erwirtschaftet werden kann.
In Zeiten der Biodiversitäts- und Klimakrise gewinnen innovative Ansätze im Naturschutz zunehmend an Bedeutung. Ein herausragendes Beispiel dafür sind die sogenannten „Wilden Weiden“. Dieses Konzept verbindet Naturschutz und extensive Beweidung auf vielversprechende Weise und bietet gerade für kleinere landwirtschaftliche Betriebe die Möglichkeit, eine zukunftsfähige Ausrichtung ohne riesige Investitionssummen zu finden. Diese Form der extensiven Beweidung funktioniert und bietet positive Effekte für die Natur und die Biodiversität. Landwirt:innen können durch spezielle Förderprogramme und die Vermarktung hochwertiger Produkte mit dieser Form der Bewirtschaftung ein Betriebseinkommen erzielen und gleichzeitig den Arbeits- und Kapitaleinsatz deutlich reduzieren.
Vorteile der Wilden Weiden für die Natur
Wilde Weiden sind extensiv genutzte Weideflächen, auf denen robuste Rinderrassen, wie zum Beispiel das Allgäuer Original Braunvieh, das Hinterwälder-Rind oder das Schottische Hochlandrind in natürlicher Umgebung grasen. Diese Rinder sind nicht auf hohe Erträge gezüchtet und kommen mit geringen Futterqualitäten auf wenig oder ungedüngten Böden gut zurecht. Auch Pferde, Wasserbüffel, Schafe oder Ziegen können Teil solcher Weiden sein, Rinderartige sind jedoch auf vielen Standorten ein Schlüsselfaktor. Die extensive Beweidung bietet zahlreiche Vorteile für die Natur (siehe Grafik):
Förderung der Biodiversität: Durch die extensive Beweidung entstehen abwechslungsreiche Landschaften mit einer Vielzahl von Pflanzenarten. Diese bieten Lebensräume für zahlreiche Insekten und andere Tiere. Besonders Heuschrecken, Schmetterlinge und Wildbienen profitieren von den blütenreichen Wiesen und Weiden.
Natürliche Düngung und Bodenverbesserung: Die Hinterlassenschaften der Weidetiere, wie Dung und Urin, sorgen für eine natürliche Düngung des Bodens. Kuhfladen bieten Lebensraum und Nahrungsquelle für viele Insektenarten, wie Dungkäfer und Fliegenlarven. Diese wiederum sind eine wichtige Nahrungsquelle für Vögel und andere Tiere.
Schaffung von Mikrohabitaten: Durch das selektive Fressen der Rinder entstehen unterschiedliche Vegetationsstrukturen, von kurzen Gräsern bis hin zu hochwüchsigen Pflanzen. Diese heterogenen
Lebensräume fördern die Ansiedlung verschiedener Tierarten, die in monotonen Landschaften keinen Platz finden, zum Beispiel Bodenbrüter. Auf eine Weidepflege (Mulchen oder Nachmähen) wird verzichtet, um diese Strukturen zu erhalten.
Klimaschutz: Extensive Weiden binden durch ihre Vegetation und den Humusaufbau im Boden CO2₂ und tragen so zur Reduktion von Treibhausgasen bei. Zudem sind sie widerstandsfähiger gegenüber Extremwetterereignissen wie Dürre und Starkregen.
Einkommensmöglichkeiten
Landwirt:innen, die sich für die extensive Beweidung entscheiden, haben die Möglichkeit, ihr Einkommen auf vielfältige Weise zu sichern. Ein Beispiel hierfür ist das Projekt „Günztal-Weiderind“, bei dem Landwirt:innen das Fleisch von Rindern aus extensiver Weidehaltung, die nur mit Gras gefüttert wurden, vermarkten und durch Fördergelder unterstützt werden.
Fördergelder und Subventionen: Bäuerinnen und Bauern können für die extensive Beweidung verschiedene Fördergelder und Subventionen in Anspruch nehmen. Diese finanziellen Unterstützungen
werden im Rahmen von Naturschutzprogrammen bereitgestellt und honorieren den Beitrag der Landwirtschaft zum Erhalt der Biodiversität und zur Landschaftspflege. Auf ertragsschwächeren Standorten kann die Kombination von passenden Förderprogrammen eine ökonomische Alternative zum Einkommen aus landwirtschaftlicher Produktion sein. Auf ertragsstärkeren Böden geht die Rechnung derzeit meistens noch nicht ganz auf. Hier ist der Ertrag durch den Tier- oder Fleischverkauf für das Betriebsergebnis weiterhin wichtig.
Vermarktung hochwertiger Produkte: Fleisch aus extensiver Weidehaltung erfreut sich einer stabilen Nachfrage. Bio-Konsument:innen zählen zur klassischen Kundschaft, aber auch die Verbraucherschaft, für die der Naturschutzaspekt im Vordergrund steht, fühlt sich durch das Produkt stark angesprochen. Das Günztal-Weiderind-Projekt, das von der Stiftung Kulturlandschaft Günztal initiiert wurde, läuft seit Jahren gut und baut auf eine erfolgreiche Direktvermarktung seiner Produkte. Hier wäre ein Label mit „Fleisch
von Wilden Weiden“ der nächste Schritt, um größere Mengen in den Handel zu bringen und damit den Einstieg für neue Betriebe zu erleichtern.
Tourismus und Bildung: Wilde Weiden haben auch Potenzial im Bereich des sanften Tourismus und der Umweltbildung. Naturführungen, Erlebnisbauernhöfe und Ferien auf dem Bauernhof bieten zusätzliche
Einkommensquellen. Das Fleisch könnte in der ansässigen Gastronomie serviert werden, wodurch der Zusammenhang von Naturschutz und extensiver Fleischproduktion für die Tourist:innen weiter greifbar wird. Besucher:innen lernen dabei nicht nur die Schönheit der Natur kennen, sondern auch die Bedeutung einer nachhaltigen Landbewirtschaftung.
Eine Kuh scheidet circa 1 Tonne Dung pro Monat aus. Aus diesen Kuhfladen entstehen etwa 20 kg Insekten. Diese wiederum sind als Nahrung ausreichend für drei Störche.
Zahlen
Eine Besatzdichte von 1,0–1,4 GV/ha im Gesamtbetrieb ist auf Standorten mittlerer Bodengüte mit den Zielen des Naturschutzes gut vereinbar und passt auch zu den derzeit angebotenen Förderprogrammen
der ersten und zweiten Säule. Sollen sich die „Wilden Weiden“ sehr strukturreich entwickeln, mit Gehölzen, Einzelbäumen und Brachflächen, so sind zumindest in der Anfangsphase 0,3-0,6 GV/ha zu empfehlen. Die Besatzdichte sollte auch nicht zu gering gewählt werden, da dann zu große Teile der Fläche von Brennnesseln und Obergräsern dominiert und lichtbedürftige Arten zurückgedrängt werden.
Meist werden die Ochsen und Färsen von extensiven Weiden mit 24 bis 28 Monaten geschlachtet. Das Schlachtkörpergewicht liegt dann zwischen 300 und 400 kg je nach Futtergrundlage und Rasse. Eine Kuh scheidet circa 1 Tonne Dung pro Monat aus. Aus diesen Kuhfladen entstehen etwa 20 kg Insekten. Diese wiederum sind als Nahrung ausreichend für drei Störche. Manche Fladen enthalten mehr als 800 Dungkäfer.
Fazit:
Die „Wilden Weiden“ sind ein vielversprechendes Modell für einen zukünftigen Betriebszweig der Landwirtschaft im Bereich des Naturschutzes. Sie tragen zur Erhaltung der Biodiversität bei, fördern den Klimaschutz und bieten der Landwirtschaft gleichzeitig neue Einkommensmöglichkeiten.
Durch Fördergelder, die Vermarktung hochwertiger Produkte und zusätzliche Angebote im Tourismusbereich können Betriebe nachhaltig und wirtschaftlich erfolgreich gestaltet werden, ohne riesige Investitionssummen setzen zu müssen.
Projekte wie das Günztal-Weiderind zeigen, dass Naturschutz und Landwirtschaft keine Gegensätze sein müssen, sondern gemeinsam zur Lösung der Biodiversitäts- und Klimakrise beitragen können. Die Rinder im Günztal-Projekt weiden auf artenreichen Flächen, die andernfalls zum Teil brachliegen würden oder eine reine Pflegemahd erhalten würden. Sollte es dazu kommen, dass mehr Landwirt:innen und Entscheidungsträger:innen dieses Potenzial erkennen und nutzen, kommen wir dem Ziel, den Biodiversitätsverlust aufzuhalten, ein gutes Stück näher.
Weiterführende Informationen
- Online-Handbuch „Beweidung im Naturschutz“: Forschungsbereich Beweidung im Naturschutz (bayern.de)
- Wilde Weiden – Praxisleitfaden für Ganzjahresbeweidung in Naturschutz und Landschaftsentwicklung: Arbeitsgemeinschaft Biologischer Umweltschutz – Biologische Station Soest (abu-naturschutz.de)