Fachhandel auf dem Weg zum Premium-Bio?

Von Stephanie Lehmann | Gepostet am 30.08.2023

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Beim Biokreis-Tag für Verarbeitung & Handel gaben Weiling und SuperBioMarkt Einblick in ihre Strategien für den Fachhandel. Die Austauschrunde um den Fleischkonsum der Zukunft löste eine angeregte Diskussion bei den Teilnehmenden aus.

Mehr als 30 Biokreis-Mitglieder aus Verarbeitung und Handel waren Anfang Juli der Einladung des Biokreis ins Münsterland gefolgt, sich eineinhalb Tage auszutauschen, zu vernetzen und mehr über aktuelle Entwicklungen der Bio-Fachhandelsbranche zu erfahren.

Einen guten Start erfuhr die Veranstaltung mit dem Besuch beim Bio-Großhändler Weiling in Coesfeld. Der Rundgang durch den Firmensitz mit Hochregallager und Autostore gab Einblick in die Logistik und die zugrundeliegende digitale Technologie. Anschließend stellte Geschäftsführer Dr. Peter Meyer die Werte und Grundsätze des Unternehmens in der Weiling Akademie vor. Er erläuterte, wie wichtig die Unternehmenswerte gerade in Zeiten der Inflation und Krise seien, um den Fachhandel gegenüber dem konventionellen Lebensmitteleinzelhandel (LEH) abzugrenzen.

Auch der Vortrag von SuperBioMarkt-Geschäftsführer Michael Radau am Folgetag griff die Frage danach auf, welche Profilierung für den Bio-Fachhandel heute erfolgversprechend sei. Einen Preiskampf mit dem LEH, so Radau, könne der Fachhandel nicht gewinnen. Ebenso wie Peter Meyer vertrat er die Auffassung, dass es besser sei, die etwa 20 Prozent der Kundschaft abzuholen, die sich für echte Qualitätsprodukte interessierten und bereit seien, dafür Geld auszugeben. Übereinstimmend stellten Meyer und Radau fest, dass Bio jenseits des Discounters und anderer Billiganbieter nur da erfolgreich sein kann, wo Bio auf höchste Qualität setzt. Die Biofachmarken sowie die Bio-Verbände spielten dabei eine immer geringere Rolle.

Aus beiden Impuls-Beiträgen blieb das Fazit, dass der Bio-Fachhandel sich in Zeiten zunehmender Konkurrenz aus dem LEH noch stärker im Premium-Lebensmittelsektor verorten wird. 

Biokreis-Austauschrunde: Bio besser kommunizieren!

Auch in einer Biokreis-Austauschrunde kam der Fachhandel noch einmal zur Sprache. Biokreis-Geschäftsführer Josef Brunnbauer erläuterte, wie sich die Entwicklung des Verbands seit dem Biokreis-Fachhandelsbeschluss 2019 gestaltet hatte. Zwar hätte der Biokreis im Fachhandel Erfolge erzielt und gute Partnerschaften gestaltet, eine klare strategische Verbindung zum Bio-Fachhandel hätte sich jedoch nicht entwickelt. Dazu käme: Während der LEH verstärkt auf Vertrauensbildung durch die Zusammenarbeit mit den Bio-Verbänden setze, wende sich der Fachhandel im gleichen Zug immer mehr von den Verbänden ab.

Im weiteren Gespräch miteinander wurde deutlich, wie stark sich die aktuelle Marktdynamik auf die Bio-Branche auswirkt. Immer wieder ging es in den Diskussionsbeiträgen um den Zugriff der Discounter auf Bio, um die aktuelle Rolle der Bio-Verbände und um die passende Kommunikationsstrategie für die Bio-Branche. Zudem brachte der Austausch Anregungen, die das Biokreis-Team für die weitere Verbandsarbeit gerne mit nach Passau nahm: Der Biokreis solle stärker auf junge Unternehmen und Start-Ups zugehen und dafür auch an Lebensmittel-Messen außerhalb der Bio-Branche teilnehmen. Außerdem solle der Erfahrungsaustausch im Verband stärker gefördert werden, insbesondere zwischen jungen und erfahrenen Unternehmen. Denn, so der Gedanke, die Gemeinschaft sei die Stärke des Verbands Biokreis, die es zu nutzen gelte.

Woher kommt das Fleisch der Zukunft?

Der Biokreis zählt viele tierhaltende Betriebe und fleischverarbeitende Unternehmen zu seinen Mitgliedern. Vor diesem Hintergrund stand beim Biokreis-Tag für Verarbeitung & Handel auch eine Diskussionsrunde zu der Frage „Wie gut ist die Bio-Branche auf den Fleischkonsum der Zukunft vorbereitet?“ auf dem Programm. Biokreis-Mitarbeiterin Stephanie Lehmann sprach mit Matthias Parzich, Franz Berchtold, Daniel Willnat und Josef Brunnbauer darüber, ob Fleisch seine Rolle als Leitprodukt in unserer Esskultur behalten wird und welche Rolle vegane Produkte in Zukunft für die Bio-Branche spielen könnten.

Eine sehr klare Position vertrat Franz Berchtold, Landwirt und Geschäftsführer der Bio-Schaukäserei Wiggensbach im Allgäu. Er forderte von der Bio-Branche den Mut, sich klar zum Fleisch zu bekennen und mehr Wissen über Tierhaltung und Schlachtung in die Verbraucherschaft zu tragen. Dagegen wies Biokreis-Geschäftsführer Josef Brunnbauer darauf hin, dass Bio in seinen Anfängen vor allem von vegetarischen Produkten geprägt war. Die Tierhaltung sei erst später in das System Bio integriert worden und sei bis heute der herausforderndste Bereich, wenn es darum geht, die Erwartungen der Verbraucherschaft zu erfüllen. Insbesondere die Aufzucht von Schweinen oder Geflügel in großer Zahl, wie heute im Bio-Bereich üblich, sei in den Anfängen nicht denkbar gewesen. Grundsätzlich, so Josef Brunnbauer weiter, würde eine klare Haltung zum Fleisch und zur Tierhaltung in Zukunft wichtiger werden, sowohl für einzelne Personen wie auch für Unternehmen und Organisationen.

“Bio-Lebensmittel müssen zum Standard werden, dann ist unser Fleischkonsum auch zukunftsfähig”

Daniel Willnat, Freiländer Bio Geflügel GmbH

Daniel Willnat, Geschäftsführer der Freiländer Bio Geflügel GmbH, stellte wiederum klar, dass die Werte von Bio zunächst richtig erklärt und Bio-Lebensmittel zum Standard werden müssten. „Dann ist unser Fleischkonsum auch zukunftsfähig“, so Willnat. Bio in die Breite zu bringen sei daher die wichtigste Aufgabe für die Branche. Matthias Parzich, Gründer und Geschäftsführer des bio-veganen Start-Ups „Loggä“, wies in diesem Zusammenhang darauf hin, dass die Zukunft aber zunehmend auch von veganen Produkten und veganer Ernährung geprägt sein werde. Zwar habe es vegane Produkte schon immer gegeben, heute seien diese aber besonders innovativ. Bio könne sich hier in Sachen Marketing einiges abschauen und den veganen Sektor noch stärker integrieren, denn zu oft sei das Thema vegan aktuell von der konventionellen Industrie besetzt.

Schnell entspann sich auf dieser Grundlage eine Diskussion über das Podium hinaus: Die Bio-Branche müsse aufpassen, dass sie für kritische Themen, gerade im Bereich Fleischerzeugung, Lösungen anbiete, um langfristig nicht in die Kritik zu geraten. Als Beispiel wurden hier die Brudertiere der Milchviehhaltung genannt. Aber, so die Frage, wer trägt eigentlich die Verantwortung dafür, dass Fleischprodukte mit Mehrwert zum angemessenen Preis im Handel verfügbar sind?

Der Mehrwert müsse von Erzeuger-Seite kommen; der Handel könne nichts dafür, wenn die Produkte am Ende nicht gekauft würden, so die eine Sicht der Dinge. Man müsse klarer erkennen, welche Trends bei der Verbraucherschaft greifen würden. Dagegen erfolgte der Einspruch, dass der Handel durchaus die Macht besäße, durch die Auswahl der Produkte die Kaufentscheidungen zu steuern. Themen, bei denen die Bio-Landwirtschaft innovative Zeichen setzen könnte, gäbe es genug: Brudertiere, Artenvielfalt, extensive Rassen statt Hochleistungstiere. Doch diese Herangehensweise verursache zusätzlichen Aufwand und damit höhere Kosten für die erzeugenden Betriebe. Um das dauerhaft zu entlohnen, brauche es das Commitment der Hersteller und der Handelsunternehmen, so die Einschätzung.

Beim gemeinsamen Abendessen und darüber hinaus gingen die angeregten Gespräche weiter. In Erinnerung bleibt ein Tipp fürs persönliche Leben: Stefan Mutter, Geschäftsführer der Freiländer Bio Geflügel GmbH, stellte das Konzept des Auswärtsvegetariers vor. Er esse auswärts nur noch dann Fleisch, wenn es Bio-Fleisch gibt. Ansonsten sei er Auswärtsvegetarier.

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Stephanie Lehmann

Mitarbeiterin beim Biokreis e.V. in den Bereichen Öffentlichkeits- und Projektarbeit.