Blick der Bio-Branche auf die neue Regierung

Erwartungen an Bundeslandwirtschaftsminister Alois Rainer – Kritik am Koalitionsvertrag.
Der Bio-Spitzenverband Bund Ökologische Lebensmittelwirtschaft (BÖLW) gratuliert dem designierten Bundeslandwirtschaftsminister Alois Rainer (CSU) zum neuen Amt. Tina Andres, BÖLW-Vorstandsvorsitzende, zum künftigen Kabinett: „Der künftige Minister Rainer ist als gelernter Metzgermeister ein Mann vom Fach. Die Verarbeitung von Lebensmitteln im ländlichen Raum sorgt allein im Bio-Bereich für 170.000 Arbeitsplätze. Insgesamt ist die Wertschöpfungskette Bio mit ihren 380.000 Beschäftigten zwar auf Wachstumskurs nach einem Umsatzplus 2024 von rund 6 Prozent, doch es gibt noch viel Luft nach oben. Als Bayer kenne Alois Rainer die Bio-Ausbauziele von mindestens 30 Prozent, die Bayern und Baden-Württemberg anstreben. Jetzt könne er im Bund dafür sorgen, dass diese in ganz Deutschland erreicht werden. Bayern sei mit seiner Politik in vieler Hinsicht Vorbild für eine Land- und Lebensmittelwirtschaft, die für Mensch, Tier und Natur gesund ist. „Bio ist der Innovationspfad, um unser Ernährungssystem fit für die Zukunft zu machen. Dass dieser Weg auch wirtschaftlich erfolgreich ist, zeigen Tag für Tag mehr als 55.000 Bio Unternehmerinnen und -Unternehmer aus Landwirtschaft, Handel und Verarbeitung.“
LVÖ vermisst klare Absage an die neuen Gentechniken
Auch die Landesvereinigung ökologischer Landbau (LVÖ) gratuliert dem designierten Minister zum neuen Amt. Ein Kompass für seine neue Aufgabe sei der Koalitionsvertrag. Dieser enthalte kein festes Bio-Ausbauziel wie etwa in Bayern oder bisher im Bund gültig. Jedoch solle in Bio-Forschung, Bio-Bildung und mehr Bio in der Gemeinschaftsverpflegung investiert werden. „(…) Dies sind die richtigen Hebel für mehr Bio-Landwirtschaft in Deutschland. Wir fordern deshalb vom neuen Landwirtschaftsminister, diese Maßnahmen kraftvoll und zügig umzusetzen“, sagt Thomas Lang, erster Vorsitzender der LVÖ Bayern e. V. „Was ich jedoch im Koalitionsvertrag vermisse, ist eine klare Absage an die neuen Gentechniken. Bio steht für garantiert gentechnikfreie Lebensmittel, und wird von den Kundinnen und Kunden auch genau dafür geschätzt. Schließlich steht eine Mehrheit der Bevölkerung der Gentechnik kritisch gegenüber. Beim Thema Gentechnik wünschen wir uns von Alois Rainer in Berlin eine deutliche Rückenstärkung für den Verbraucherschutz und für den Schutz der gentechnikfreien Land- und Lebensmittelwirtschaft“, sagt Thomas Lang.
BNN zum Koalitationsvertrag: Wichtige Ansätze zu Bio, aber kein Mut zur Zukunft
Der Bundesverband Naturkost Naturwaren (BNN) e.V. begrüßt, dass die neue Bundesregierung die besonderen Nachhaltigkeitsleistungen von Bio in ihrem Koalitionsvertrag anerkennt. Gleichzeitig kritisiert der Verband die Streichung des 30-Prozent-Ziels für den Ökolandbau bis 2030 sowie das Fehlen langfristiger Perspektiven für eine nachhaltige und demokratische Gestaltung der Zukunft von Land- und Lebensmittelwirtschaft.
„Es ist richtig und wichtig, dass Bio im Koalitionsvertrag explizit als Innovationstreiber genannt wird. Doch der Vertrag ist vor allem dort, wo klare Zukunftsstrategien gebraucht würden, mutlos“, erklärt Kathrin Jäckel, Geschäftsführerin des BNN. „Die Streichung der 30-Prozent-Bio-Zielmarke bis 2030 ist ein Rückschritt. Ohne klare politische Zielbilder fehlt den vielen engagierten Betrieben in Landwirtschaft, Verarbeitung und Handel die notwendige Planungssicherheit.“ Der Bio-Fachhandel habe seit Jahrzehnten eine tragende Rolle für nachhaltige Ernährung – mit transparenten Lieferketten, fairen Partnerschaften und glaubwürdiger Kennzeichnung gespielt. Wer Bio wirklich stärken wolle, müsse auch diesen unabhängigen Handel und die damit verbundene Vielfalt gezielt fördern und einbinden.
Positiv bewertet der BNN, dass die Ausweitung von Bio in der Gemeinschaftsverpflegung ausdrücklich erwähnt wird. Städte wie Berlin, München oder Nürnberg zeigten bereits, wie 50 Prozent Bio in Kitas, Schulen oder Kliniken erfolgreich umgesetzt werden können. „Das ist ein Lichtblick“, so Jäckel, „und zeigt, wie erfolgreich die Länder in diesem Bereich arbeiten. Jetzt braucht es eine langfristige Absicherung dieser Entwicklung durch den Bund inklusive entsprechender Mittel. Zentral wird sein, alle Akteur:innen von Landwirtschaft über Verarbeitung bis hin zu Handel, Forschung und Bildung zusammenzudenken.“
Neben der agrar- und wirtschaftspolitischen Perspektive äußert der BNN auch deutliche Kritik an der Grundhaltung des Koalitionsvertrags: „In einer Zeit, in der demokratische Grundwerte unter Druck geraten, enthält dieser Koalitionsvertrag keinerlei Bekenntnis zu einer wehrhaften Demokratie. Als Verband stehen wir für Menschenwürde, ökologische Verantwortung und Vielfalt – und kritisieren diese Tatsache daher ausdrücklich“, sagt Jäckel.
Konkret fordert der BNN:
- die politische Rückkehr zum Ziel von 30-Prozent-Ökolandbau bis 2030
- gezielte Förderung und Ausbau regionaler Bio-Wertschöpfungsketten
- Investitionen in den unabhängigen Bio-Fachhandel als
- Rückgrat nachhaltiger Versorgung, insbesondere auch in ländlichen Räumen
- eine klare Haltung zu einer wehrhaften Demokratie
red / Quellen: BÖLW, LVÖ, BNN