Agroforst fördern, aber bitte praxisnah!

Von Jana Werner | Gepostet am 02.04.2024

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Bürokratie, Abstandsregeln und Negativliste stellen aktuell Hemmnisse für die Förderung dar.

Dass die beste Zeit, einen Baum zu pflanzen, vor 20 Jahren war und die zweitbeste Zeit jetzt, ist ein gern bemühtes Sprichwort unter Baum-Fans. Dass Bäume in der Landschaft wertvoll sind, besagt aber auch eine alte deutsche Bauernweisheit: „Auf großen Raum pflanz‘ einen Baum und pflege sein, er bringt dir’s ein.“ Doch was gibt es an Förderung, welche Hürden sind zu nehmen, und warum wurde 2024 als Agroforstjahr ausgerufen?

Agroforst ist vom Weltklimarat (IPCC) anerkannt als effektive Maßnahme für natürlichen Klimaschutz. Die Ergänzung durch Gehölze gilt auch Pionieren der regenerativen Landwirtschaft wie Dietmar Näser als Erfolgsfaktor. Mit der Einbeziehung von Agroforstförderung in die GAP wurde 2023 endlich auch hierzulande eine gewisse Rechtsicherheit für Agroforstsysteme (AFS) geschaffen. Es gibt die GAP-Direktzahlungen (156 € Basisprämie) nun auch für Ackerland und Dauergrünland mit Agroforstanteil. Die Ökoregelung (ÖR) 3 belohnt deren Beibehaltung, und einzelne Bundesländer bieten Investitionsförderung über das KULAP an.

Hürden und Hemmnisse

Allgemein gilt, dass Agroforstsysteme keine Landschaftselemente im Sinne von §23 GAP-Konditionalitäten-Verordnung sind und die integrierten Gehölze somit genutzt und auch wieder entfernt werden dürfen. Allerdings gilt das nur für Flächen, die ab dem 1.1.2023 angelegt wurden. Vorher angelegte Flächen mit Gehölzpflanzen, die als Landschaftselemente klassifiziert wurden, werden nicht als AFS anerkannt und unterliegen weiterhin dem Beseitigungsverbot. Problematisch und absolut praxisfern sind die derzeit einzuhaltenden Abstandsregeln für die Beibehaltungsprämie der ÖR 3. Der kleinste Abstand zwischen zwei Gehölzstreifen sowie einem Streifen und dem Flächenrand muss 20 Meter betragen. Die zwei Streifen selbst müssen mindestens drei Meter breit sein. Diese Mindestbreite von 66 Metern ist gerade in den klein strukturierten Gebieten oft nicht realisierbar. Schätzungen zufolge halten über 90 Prozent der existierenden Agroforstflächen diese Vorgaben nicht ein.

Grafik: Biokreis

Da die Agroforstwirtschaft unter den Ökoregelungen (ÖR) die mit deutlichem Abstand größte Klimawirksamkeit aufweist, ist der politische Wille zur Förderung inzwischen da. Leider kann auch die gestiegene Förderhöhe der ÖR 3 von 60 auf 200 € pro Hektar Gehölzfläche die Bewirtschaftungskosten für komplexere Systeme nicht ausgleichen: Mit einem durchschnittlichen Flächenanteil von zehn Prozent Gehölzen an der Gesamtfläche ergeben sich 20 € pro Hektar als effektive jährliche Förderung. Die wichtigste Stellschraube bei der ÖR 3 ist somit die Abschaffung der bürokratischen Abstandsregeln. Hier bietet das Nachbarrecht in den einzelnen Bundesländern bereits einschlägige Vorgaben, die die Grenzabstände für Gehölze definieren.

Ein weiteres Hemmnis ist die Negativliste. Die Robinie, einer der beliebtesten Agroforstbäume, darf seit 2023 auf förderfähigen Flächen nicht mehr eingesetzt werden. Sie ist nicht nur schnellwachsend und geeignet für sandige, trockene Standorte, sie bindet zudem Luftstickstoff und bringt Nährstoffe in den Boden. Außerdem liefert sie hervorragendes Holz und ist eine attraktive Bienenweide. Dass sie als invasive Art in Schutzgebieten nicht gepflanzt werden darf, ist verständlich. Doch Fachleute fordern, dass Robinien auf landwirtschaftlich genutzten Ackerflächen, wo das Wurzelwerk permanent in Schach gehalten wird, weiterhin erlaubt sein müssen. Auch Roteiche und Blauglockenbaum sind schädlingsresistente Pionierbäume, die dem Klimawandel trotzen und seit Jahrzehnten erfolgreich forstlich genutzt werden. Ob die pauschale Aussage, dass gebietsfremde Bäume die heimische Natur verdrängen, eine Aufnahme in die Liste rechtfertigt, wird wissenschaftlich diskutiert. Fakt ist, dass Agroforstgehölze extremen Bedingungen unterliegen und differenzierter bewertet werden sollten. (siehe Grafik 2)

Grafik: Biokreis

Zu den rechtlichen Hürden kommt der grundsätzliche Aufwand für Planung und Bewirtschaftung. Das kostet nicht nur Zeit und Geld, sondern benötigt Vorstellungskraft und Idealismus. Neben den Investitionskosten kommt mit dem Punkt Pflege noch ein entscheidendes Hemmnis ins Spiel. Je diverser und stabiler ein System, desto pflegeintensiver ist es, und dies will im Betriebsablauf eingeplant sein. Neben Schutzzäunen gegen Nager und Rotwild ist zu Beginn oft eine Bewässerung erforderlich und später regelmäßiger Baumschnitt, der sich im kleinen Umfang bei der Ernte gut selbst erledigen lässt.

Die Investitionsförderung, bei der bis zu 65 Prozent der Anlagekosten übernommen werden können, gab es zuerst in Bayern und seit 2024 auch in Mecklenburg-Vorpommern. Sachsen und Niedersachsen haben nachgezogen, allerdings mit nur 40 Prozent Förderquote (wobei es in Sachsen keine Förderung auf Grünland gibt). Leider fehlt der Verwaltung oft die Expertise. Die Internetseiten der Ministerien sind unübersichtlich, und in Mecklenburg-Vorpommern hat bislang fast kein Betrieb die Förderung in Anspruch genommen, die allein zehn Formulare und sechzehn zusätzliche Nachweise umfasst (u. a. Eigentums-nachweis, Nutzungs- und Investitionskonzept, Genehmigung der Unteren Naturschutz-behörde). Eine Förderübersicht findet Ihr auf baumland-kampagne.de unter dem Menüpunkt „Unser Beitrag“.

Es verwundert nicht, dass vom anvisierten Ziel von 25.000 Hektar neuer Agroforstfläche im Jahr 2023 gerade mal 51 Hektar beantragt wurden. Damit ist das Soll nicht mal zu einem Prozent erfüllt, und dass wir 200.000 Hektar bis 2026 erreichen, ist unter den jetzigen Rahmenbedingungen undenkbar. Hinter diesen Vorgaben im GAP-Strategieplan der Bundesregierung stehen die gesetzlich verankerten Klimaschutzziele, und im Sektor Landwirtschaft kann neben der schwierig umzusetzenden Moorwiedervernässung nur das Pflanzen von Gehölzen einen wesentlichen Beitrag leisten.

In Agroforstsystemen steckt meines Erachtens ein immenses Potenzial.

Zitat Bundesagrarminister Cem Özdemir, 28.08.23, BMEL-Pressekonferenz zur Vorstellung des Ernteberichts 2023

Agroforst jetzt! Bündnis deklariert 2024 zum Agroforstjahr

Glücklicherweise verfügt die Agroforst-Szene über engagierte Pionier:innen, die ihre positiven Erfahrungen politisch einbringen und unermüdlich für bessere Rahmenbedingungen kämpfen. Nach einem offenen Brief an die deutsche Politik im Mai 2023, unterstützt durch 100 Verbände und Institutionen, der konstatiert, dass die Anlage von AFS immer noch eher erschwert als unterstützt wird, hat sich einiges getan. Im Januar 2024 veröffentlichte Agroforst Jetzt!, ein Bündnis von Expert:innen aus Forschung, Bildung und Landwirtschaft, eine Kurzanalyse, die Leitlinien für eine praxisnahe Förderung von AFS enthält. Diese betreffen unter anderem die Planungssicherheit, die Honorierung entsprechend der Komplexität der Systeme sowie den Bürokratieabbau.

Die Erkenntnis, dass viele Bäume rasch in die Fläche gebracht werden müssen, ist nun in Berlin angekommen. Das Bundesumweltministerium hat kürzlich entschieden, 100 Millionen Euro aus dem Aktionsprogramm Nationaler Klimaschutz (ANK) für die Etablierung von AFS und Hecken bereit zu stellen, und bei der Ausgestaltung der Förderung ist das Bündnis involviert. Die Summe soll über den Bund-Länder-Topf der Gemeinschaftsaufgabe Agrar- und Küstenschutz (GAK) von 2025 bis 2027 ausgeschüttet werden.

FAZIT: Mit dem weltweit heißesten Jahr 2023 im Rücken und weiteren Hitzejahren vor der Brust, ist es höchste Zeit umzusteuern. Gerade im Hinblick auf den Zustand der Waldflächen sind mehr Bäume in der Landschaft unerlässlich. Laut dem Europäischen Agroforstverband EURAF bieten AFS in Europa eine Speicherkapazität von bis zu 1,5 Mrd. t CO₂-Äquivalenten, was einem Drittel der gesamten Emissionen der EU entspricht. Jetzt gilt es, landwirtschaftliche Flächen mit Gehölzen naturnaher zu gestalten und die Agrarwende voranzutreiben.


Mehr Informationen
Agroforst: www.defaf.de
Hecken: www.baumland-kampagne.de
Wer sich den Agroforst-Leitlinien anschließen und 2024 mit zum Agroforst-Jahr machen möchte, ist herzlich willkommen, sich und die eigene Initiative unter www.agroforst.de jetzt einzutragen.

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Jana Werner

Die Autorin Jana Werner war bis März 2024 agrarpolitische Referentin im Biokreis e.V.