„Die Pflanzenwelt bringt nicht jedes Jahr neue Renner“
Christian Matthes ist Geschäftsführer der agrimed GmbH, einer Vermarktungsgesellschaft für Medizinal- und Gewürzkräuter, die seit mehr als 30 Jahren die Interessen seiner Mitglieder bündelt. Er kennt die herausfordernden Marktbedingungen und Schwankungen und spricht im Interview auch über Trends und Laboranalysen.
Herr Matthes, der Kräuter-Sektor ist ein sehr kleiner. Wie schwierig ist es für Landwirt:innen, in diesen einzusteigen?
Wir agieren in der Tat in einer kleinen überschaubaren Nische mit einem hohen weltweiten Wettbewerb. Wenn Landwirt:innen im Kräuteranbau nach alternativen Einkommensquellen suchen, müssen sie beachten, dass die Hürden hier sehr hoch sind. Nötig sind auf jeden Fall zum Teil hohe Anfangsinvestitionen, ein langer Atem und die Bereitschaft, sich regelrecht hineinzufuchsen. Aber wer diese Bedingungen mitbringt, kann auch erfolgreich sein.
Welche Betriebe gehören zu Ihrer Vermarktungsgesellschaft?
Wir vereinen 30 bis 40 landwirtschaftliche Betriebe, etwa 30 Prozent davon arbeiten ökologisch. Biologische Kräuter werden vor allem im Lebensmittelbereich, etwa als Tees, eingesetzt. Im Pharma Bereich spielen sie dagegen kaum eine Rolle.
Wie gestalten sich die Entwicklungen auf diesem Markt?
Während der Corona-Zeit zog der Gewürzbereich stark an, denn die Menschen waren zu Hause und kochten selbst mit guten hochwertigen Zutaten. Auch anschließend, als alle wieder unterwegs waren und sich vermehrt Erkältungen holten, waren Tees sehr gefragt. Seit Beginn des Ukraine-Kriegs und mit dem Anstieg der Inflation hat sich vieles geändert. Die gestiegenen Energiekosten wirken sich durch die notwendige Trocknung der Kräuter stark aus. In Deutschland sind Arbeitskräfte zudem teuer – und der deutsche Anbau für Medizinal- und Gewürzkräuter hat es auch dadurch schwer. Während in den vergangenen Jahren der Trend zu deutschen Rohstoffen ging und deutsche Verarbeiter:innen auch bereit waren, mehr dafür zu zahlen, hat man jetzt das Gefühl: Es geht nur noch um den Preis. Es ist traurig, dass Werte in dieser Situation völlig nichtig sind. In Krisenzeiten ist stets der Handel der Gewinner.
Was ist dabei die Rolle der Endverbraucherschaft?
Die tappt großteils im Dunkeln und ist kaum über Lieferketten informiert. Wir als Vermarktungsgesellschaft sind zu hundert Prozent Vertreter des deutschen Anbaus. Aber große Häuser kaufen zu günstigeren Konditionen im Ausland ein. In der Masse ist die Herkunft nicht immer ausschlaggebend.
Was bedeutet das für Ihre Betriebe?
Wir müssen diese immer bei Laune halten und ihnen dennoch die aktuellen Anforderungen vermitteln. Dabei müssen auch Kompromisse gefunden werden. Ein wichtiger Grundsatz dabei ist: Wenn der Rohstoff gut ist, ist auch die Vermarktung gut. Und ob ein Produkt gut ist, entscheidet sich schon vor der Aussaat mit einer guten Bodenvorbereitung.
Doch am Ende sind bei Heilpflanzen auch Analysen entscheidend …
Diese werden von spezialisierten Labors durchgeführt. Auch wir geben diese Dienstleistung außer Haus. Analysiert wird etwa auf Inhaltsstoffe, Pestizidrückstände, Schwermetalle, Alkaloide oder Fremdbesatz. Das kostet natürlich auch Geld. Besonders bitter ist, wenn ein guter Rohstoff durch Abdrift von Pestiziden am Ende nicht vermarktbar ist. Das ist ein hohes Risiko für den Anbaubetrieb.
Gibt es auf diesem Markt auch bestimmte Trends?
Bei den meist vermarkteten Kräutern mit Tradition wie Pfefferminze, Fenchel oder Kamille ändert sich nicht viel. Sie sind einfach in Anbau, Beschaffung und Wirkung. Die Pflanzenwelt bringt nicht jedes Jahr neue Renner. Im Pharmabereich gibt es dagegen neue Tendenzen. Heilpflanzen gegen depressive Stimmungen und Überreizungen oder die Gesundheit der Frau sind frische Themen, die die Ansprüche verändern.
Wo liegen die aktuellen Herausforderungen?
Bürokratie und Dokumentationspflichten erschweren die Dynamik des Marktes. Niemand ist mehr bereit, schnelle Antworten zu geben, und Ware wird vorgehalten. Vielmals fehlt bei vielen Akteur:innen auch die Kenntnis über das, worüber man spricht. Für Landwirt:innen ist die Anforderung ganz klar, den Anbau von A bis Z durchzudenken, ein stabiles Produkt zu erzeugen und eine stabile Vermarktung aufzubauen. Unsere Mitglieder machen zu 80 Prozent Vertragsanbau und haben dafür dauerhafte Abnehmer:innen. Die Umsätze pro Hektar klingen im Kräuteranbau erstmal gut, aber Ausfälle sind grundsätzlich einzukalkulieren. Durch die kleine Nische, in der sich der Markt abspielt, ist außerdem jede Veränderung prompt spürbar.